Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
Vom Netzwerk:
sein!

     
    Vor diesem Hintergrund nahm Eva nun an dem Studienprojekt teil. Und deswegen hielt sie es nicht für falsch, in ihre Annonce all die Qualitäten hineinzupacken, mit denen sie einen Mann ausstatten würde, wenn sie je eine Möglichkeit hätte, ihn sich selbst zu backen.
    In ihrem Alter sollte er sein, intelligent und kulturell interessiert. Darüber hinaus wünschte sie ihn sich charmant und warmherzig, gebildet, attraktiv, sportlich, potent und frei von unbewältigten Partnerschaftsproblemen. Sie unterschrieb mit ›Ariadne‹ und gab ihre just eingerichtete E-Mail-Adresse an. Lächelnd versenkte sie den Text mit einem Tastenklick im Netz. Ein Spiel namens Recherche. Den Namen Ariadne fand sie sehr passend für ein Internetforum, in dem die Orientierung sicher nicht einfacher war als in einem Labyrinth.
    Wahrheitsliebend räumte sie mir gegenüber ein: »Wenn sich tatsächlich Mr. Right meldet, dann werde ich ihn mit offenen Armen aufnehmen! Schließlich habe ich lange genug Kröten geschluckt. Ein Charmebolzen aus dem Netz, das wäre der perfekte Energielieferant, der Kick, den ich brauchte, um Ruben ratzeputz aus meinem Herzen zu entfernen. Aber nach allem, was ich bisher gesehen habe, sind das wohl Hirngespinste!«

    Als sie vier Stunden später im Postfach nachsah, staunte sie gehörig. Im Posteingang fanden sich vier verschiedene Absender vor vier Betreff-Zeilen. Der erste Korrespondent (ma.xxl@ …) warf ihr zwar einerseits vor, sie verlange zu viel, outete sich jedoch als wahrer Held, indem er darauf hinwies, das könne ihn nicht abschrecken. Der zweite (tomego@ …) erkundigte sich, wie sie darauf komme, dass ein Mann studiert haben müsse, um über ›Inteligens und Styl‹ zu verfügen.
    Überhaupt traten in der Folgezeit die Semi-Alphabeten in breiter Front an und überschütteten sie mit fast so vielen ›gailen Grüssen‹ wie Fehlern. Eva erkannte, dass sowohl ihr Wortschatz als auch ihr Verständnis für Korrespondenz aus einer anderen Welt stammten.
    Nach zwei Tagen hatte sie über zwanzig Posteingänge zu vermelden und gerade drei für wert befunden, darauf zu antworteten.
    Selbstverständlich besprach sie alles mit Leonardo und vieles mit mir. Schließlich telefonierten wir täglich. Am dritten Tag stieß sie auf eine Zuschrift, die sich elementar von allen bisherigen unterschied. In Inhalt und Interpunktion. Signiert war der Schrieb mit ›Marcel P.‹ War das etwa ein Anhänger Prousts? Am Ende ein Mann, der unter lesen nicht nur das Durchblättern von Fachzeitschriften und Herrenmagazinen verstand? Das ließ ja Hoffnungen aufkeimen!
    Marcel P. stellte sich übrigens nicht vor und empfahl sich auch nicht, sondern zerpflückte ihre Anzeige mit Ironie und Wortwitz und gratulierte zu ihrem Text, der ihm als Genuss und Lichtblick erschien. Er schloss seine Zuschrift mit den aufmunternden Worten: ›Mach weiter so! Jedenfalls weißt Du, was Du willst.‹
    Oh ja, und ich weiß auch, wie selten ich’s bekomme, dachte Eva und beantwortete die Zuschrift am Abend mit großem Vergnügen. ›Könnte es sein, dass du mit deinem virtuellen Namenskürzel auf den großen Dichter anspielst, der sich über Jahre hinweg und durch Werke hindurch der Suche nach der verlorenen Zeit widmete? Wenn ja: Womit und wobei hast Du Deine Zeit verloren? Verzeih, das sind wohl eine Menge Fragen, aber wie es aussieht, beflügelst du meine Neugier.‹
    Mit dieser neckischen Mail begann der ebenso umfang- wie einfallsreiche Briefwechsel zwischen den beiden. Täglich bis zu dreimal zischten die Geistesblitze hin und her. Bis nach Mitternacht und schon vor Morgengrauen. Sie durchquerten die griechische Mythologie, weideten im Alten Testament, kickten mit literarischen Anspielungen und schossen Kopfbälle in diversen Sprachen ab. Angefangen bei der Ciceronis und Catilinae. Das war natürlich Wasser auf Evas Mühlen. Sie zitierte mir die Bonmots ihres amüsanten Briefwechsels, und ich war hin und her gerissen zwischen düsteren Vorahnungen, Eifersucht und Neid.

     
    Ich übertreibe mal wieder. Die düsteren Vorahnungen waren tatsächlich da. Aber düstere Vorahnungen quälten mich ja schon, als sie aufbrach, die verspüre ich grundsätzlich, wenn sie meinen Blicken entschwindet. Doch nun waren sie eindeutig begründet. Wenn der Typ in Realität so toll war wie seine Schriebe vermuten ließen, dann würde er Eva vereinnahmen und ich müsste meine Freundin wieder mal mit einem Mann teilen, der sie mit Sicherheit nicht

Weitere Kostenlose Bücher