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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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Geiste die nächste Mail an ihn.

    Einmal, als sie sich allein in der Wohnung aufhielt, rief Uwe an, obwohl er offiziell Leonardos Nummer nicht wissen konnte. Zunächst glaubte er, sich verwählt zu haben, doch Eva klärte ihn auf, er sei absolut richtig. Und in sein verblüfftes Schweigen hinein teilte sie ihm mit, sie lebe jetzt mit Leonardo zusammen und es gehe ihnen beiden ausgezeichnet. Als ganz besonders erheiternd empfand sie dabei die Gewissheit, dass Uwe sie nicht ausstehen konnte. Originalton Leonardo: ›Uwe hasst dich wie die Pest.‹«

    Verblüfft hatte sie sich damals nach dem Grund erkundigt, denn sie konnte sich nicht erinnern, ihm etwas angetan zu haben. Doch dem widersprach Leonardo entschieden: ›Er weiß, dass du mich immer wieder aufgebaut hast, wenn er mich endlich ganz klein am Boden hatte.‹«
    Eingedenk seiner heftigen Antipathie fragte sie Uwe cyclamatsüß, ob sie etwas ausrichten könne, doch der war offenbar so schockiert, dass er ohne eine weitere Äußerung auflegte.
    Leonardo war über ihr Engagement nicht ganz so begeistert wie sie selbst, fand es aber nach einem klärenden Gespräch dann doch in Ordnung.

     
    ›Aktiv werden … Glaubst du, dass wir unseren Erwartungen – entstanden aus dem faszinierenden Leuchten unserer anregenden, sich kreuzenden Geistesblitze, unseren ernsten Forschungsauftrag in Sachen Kompatibilität und deinem Esprit, Charme, Wortwitz und deiner geistigen und sexuellen Potenz, deiner zwinkernden provozierenden Weiblichkeit, deinen klaren Vorstellungen … wenn da mal der Anlauf genügt …‹ Der Rest des Marcel-Mail-Satzes blieb in der Luft hängen, aber das schien Eva nicht zu stören. Sie saugte Honig aus jedem einzelnen Wort, während ich nach einer diplomatischen Äußerung suchte, die mich die Wörter ›aufgeblasenes Geschwafel‹ vermeiden ließ. Als ich so rasch keine fand und mich lediglich gekünstelt räusperte, reagierte sie mit sanfter Ironie:
    »Jaja, er hat seinen Casanova-Kurs mit bestechendem Erfolg absolviert!«
    Im Stil des eben zitierten vergleichsweise mickrigen Ausschnitts aus dem Mailverkehr der zweiten Woche ging es ungebremst weiter. Eva fand die Schreibe köstlich, während ich sie zunehmend schwachsinnig fand. Aber ich genoss ja schließlich auch nicht den Status eines Objekts, Subjekts und Projekts der Verehrung und Begierde eines geheimnisvollen Unbekannten.
    Jedenfalls erlosch binnen Kurzem mein Neid. Die Tatsache, dass er sich dreimal täglich meldete, fand ich zwar nach wie vor bestechend. Andererseits war ich mir nicht ganz sicher, was ich von einem Mann halten sollte, der mehrere Stunden täglich darauf verwandte, eine Frau, die er gar nicht kannte, mit seinen diffusen Gedanken und schwülstigen Komplimenten zu überhäufen. Das Verhalten meiner Freundin beurteilte ich nachsichtiger. Sie war immerhin Schreibprofi. Schreiben war für sie also ähnlich selbstverständlich wie atmen. Außerdem fasste sie sich kurz und beschränkte sich überwiegend auf kleine freche Kommentare als Zitat-Antworten.
    In der dritten Woche brachte Marcel zum ersten Mal ein Treffen zur Sprache. ›Ich werde eine Woche keinen Ball mehr treffen, wenn ich dich nicht bald persönlich kennenlerne!‹
    Beim Ball ging es um Tennis. Marcel war neben seinen häufigen Aufenthalten vor dem Computer anscheinend auch ein begeisterter Freizeitsportler. Wir fragten uns, wann er eigentlich arbeitete, aber Eva interessierte das nicht wirklich. Solange nur der Mailverkehr klappte. Sie war allerdings im Zweifel, ob sie Marcel wirklich schon treffen wollte. Noch wusste sie zu wenig über ihn, wollte dieses virtuelle Geplänkel noch eine Weile genießen, mehr erfahren, um sicherzugehen, dass nicht die große Enttäuschung auf sie wartete.
    »Mhmm, schwierig. Heute besuche ich ein Konzert, morgen back’ ich, und übermorgen hol’ ich … – du weißt schon! Und nächste Woche bin ich für ein paar Tage unterwegs.«
    Er bezichtigte sie der Folter, weil sie sich ihm für eine Weile entziehen wollte. Sie lachte wegen der Übertreibung, aber sein Engagement schmeichelte ihr, da sie dergleichen noch nie erlebt hatte. Von Haus aus mit Minderwertigkeitsgefühlen überfrachtet und in der Beziehung mit Ruben vollends auf den Hund gekommen – klar, dass sie sich die schmalzig-schmelzenden Verbalpralinen mit Hochgenuss einverleibte und sonst wo zergehen ließ.
    Während der nächsten drei Tage schrieb Marcel noch eifriger als bisher. Die Aussicht auf die erzwungene

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