Liebling, Ich Kann Auch Anders
sag es ihm nicht am Telefon, sondern unter vier Augen«, meinte sie. Denn sie wollte ihn im Blick haben, um abzuschätzen, ob er wirklich so gut drauf war, dass er den Schock verdauen könnte. Aber sie hatte auch angenommen, dass ihr dafür reichlich Zeit bliebe. Normalerweise war bei einem monatlich erscheinenden Magazin mit einer Vorlauffrist von einem Vierteljahr zu rechnen. Doch diese Rechnung erwies sich als Irrtum. Bereits in der übernächsten Ausgabe erfolgte Wollis Premiere. Und dank Davids witziger Cartoons schlug Wollis chaotisches Liebesleben voll ein.
»Das musst du dir ansehen!«, rief Leonardo, noch am Abend ihrer Ankunft. Und er präsentierte ihr Male’s Body . Eva bekam tief rote Ohren, fühlte sich wie eine verkommene Ratte und überlegte krampfhaft, was sie zu ihrer Rechtfertigung vortragen könnte. Aber Leonardo war weit davon entfernt, die Zusammenhänge zu durchschauen.
»Diesen Detlef möchte ich unbedingt mal treffen! Der macht genauso ’ne Scheiße durch wie ich. Wahrscheinlich ist er an die gleichen Idioten geraten. Oh Mann, wir könnten uns sicher ’ne Menge erzählen!«
Dem konnte Eva nicht widersprechen. Noch immer starr vor Schreck beschloss sie im Stillen, den begeisterten Freund vorerst doch nicht aufzuklären. Aber ein schlechtes Gewissen hatte sie schon bei der Sache. Schließlich war abzusehen, dass David neues Material erbitten würde, sobald er das bisherige aufgearbeitet hatte. Und dann konnte es sich ergeben, dass sie auf Leonardos Berichte über erneute Reinfälle geradezu erpicht war.
Ansonsten waren die Gespräche am Tag ihrer Ankunft um Uwe gekreist, Leonardos Ex und natürlich auch um Ruben, Evas Ex. Das ergab sich schon aus den Parallelen.
Ruben und Uwe hatten – neben der Vokalfolge in ihren Vornamen – sehr viel gemeinsam: interessante Berufe, spannendes soziales Umfeld, Ehrgeiz, Geldgier und eiskalte Herzen. Stoff für endlose Grübeleien, Kränkungen – und Frust.
Am nächsten Morgen jedoch machten sich Leonardo und Eva an die Arbeit. Gemeinsam sahen sie die Berichte an, welche die Studis noch vor Beginn der Semesterferien abgegeben hatten. Da die jungen Leute auch in ihrem Umfeld Material gesammelt hatten, war eine Menge zusammengekommen.
Die beiden schichteten vier Stapel auf: Protokolle von Frauen, die über ihre Erfahrungen mit Männern berichteten (ein dicker Stoß); Männer, die über Erfahrungen mit Frauen berichteten (ziemlich wenig Blätter); schwule Männer (weitaus mehr); lesbische Frauen (nur zwei). Die beiden Lesbierinnen berichteten erfreut, sie hätten genau das gefunden, wonach sie gesucht hatten. Eine hatte selbst eine Annonce aufgegeben, die andere eine beantwortet. Beide Annoncen waren allerdings umfangreich und detailliert formuliert gewesen. Der Grundtenor der Mädchen, die mit Männern korrespondiert hatten, lautete hingegen: ›Wir fühlen uns verarscht und missbraucht!‹
Nachdem sie mit ihren Partnern Mails ausgetauscht hatten, war es meist zu einer Begegnung gekommen. Dabei gab’s zwei Grundmuster. Im ersten Fall hatte eine angeregte Unterhaltung stattgefunden. Die beiden hatten beschlossen, sich wieder zu treffen, was sie per Mail abstimmen wollten. Die Männer hatten sich anschließend jedoch weder gemeldet noch rückfragende Mails beantwortet. Im zweiten Fall war es zu einer oder mehreren Begegnungen gekommen. Exakt so viele wie nötig waren, bis sich das Mädchen zum Sex bereitfand. Dann folgte dasselbe Vorgehen wie im ersten Fall.
›Er ist weder auf meinen Anzeigentext noch auf meine persönlichen Wünsche eingegangen‹ / ›Ich hatte den Eindruck, er warf mir vor, dass ich nicht aussah wie Jennifer Lopez. Er sah übrigens aus wie ein Halbaffe‹ / ›Ich fand ihn süß und er gab mir auch das Gefühl, ich sei das, wonach er sucht, aber dann ließ er nichts mehr von sich hören‹ / ›Er erklärte mir klipp und klar, er sei ein Schmetterling. Er suche keine Beziehung, sondern Sex mit möglichst vielen Frauen.‹
Dergleichen Kommentare traten so gehäuft auf, dass Eva und Leo den Verdacht hegten, alle Mädchen hätten mit denselben zwei bis drei Männern korrespondiert.
»Das herauszufinden könnte doch ein interessantes Thema für eine Seminararbeit sein«, meinte Eva. »Möglicherweise sitzen ja ein paar der Typen vor deiner Nase. Beim Vortrag kannst du dann sehen, wer einen roten Kopf bekommt …«
»Das kannst du selbst besorgen, ich nehm’ dich gern mit«, erwiderte Leonardo. Doch Eva lachte nur und
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