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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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Schließlich hat meine Mutter keine Anstrengung unterlassen, mich zu einem kultivierten Menschen zu erziehen. Scheiße!
    »Und in New York?« Diese Frage möchte ich nun doch geklärt haben.
    »Hatten wir zwei Zimmer. Jedes mit zwei Doppelbetten drin, stell dir das mal vor! Aber da mussten wir ja eh zwei Zimmer nehmen wegen der Spesenabrechnung und so.«
    Jaja, und wegen der Diskretion natürlich, die von Krieglinde so überaus sorgfältig gepflegt wird. Mit täglicher Rezitation der billets doux des jungen Dichters. Geklaute Sülze aus dritter Hand.
    »Tja, dann hast du wohl ein Problem«, sagte ich. »Abgesehen davon, dass ich es für eine grandiose Geschmacklosigkeit von dir halte, mit dem Gedanken zu spielen, du könntest mitten in der Nacht bei mir auftauchen – mit Servitzkys Bettfedern im Haar –, möchte ich dich in absehbarer Zeit überhaupt nicht sehen. Und jetzt packst du bitte deine Klamotten zusammen, gibst mir Evas Schlüssel zurück und verschwindest. Ich hab nämlich zu tun.«
    Er schüttelt den Kopf. »Ich raff’ es nicht. Eliza, du enttäuschst mich zutiefst. So ’ne zickige Nummer hätte ich dir im Leben nie zugetraut.«

     

14

    Eva war alarmiert. Magnus schien den Aggregatzustand zu wechseln. Von fest nach gasförmig. Er wurde immer weniger greifbar. Es sah ganz danach aus, als befände sich die jüngst noch steil nach oben gerichtete Kurve auf ihrem Beziehungsdiagramm im freien Fall, um schließlich im Bodenmorast düsterer Abgründe zu versinken.
    Pardon, ich möchte mich hier nicht als Orakel gebärden. Eva sah die Sache aus Trotz, Hoffnung und dem, was sie für Liebe hielt, auch ganz anders.
    Sie hatten sich noch einige Male am Waldesrand getroffen. Abgesehen davon, dass er immer weniger Zeit dafür erübrigen konnte, verliefen die Begegnungen stets nach demselben Muster: Magnus rief sie an, um ein bereits geplantes Treffen abzusagen und dafür ganz kurzfristig ein neues anzusetzen. Eva musste deswegen ihren Tagesplan ändern, alles fürs Liebeslager Nötige zusammenpacken und sich auf den Weg begeben. Dabei fiel ihr zwar das zunehmende zeitliche Missverhältnis zwischen dem Drumherum und der Dauer der gemeinsam verbrachten Zeit auf, aber es gelang ihr immer rasch, ihre Irritationen zu verdrängen und sich voller Optimismus auf die Momente des Zusammenseins zu konzentrieren. Magnus kam nie mehr pünktlich und stets mit leeren Händen, was für Sibylle u. a. ein absoluter Knock-out-Faktor gewesen wäre. Die einzige Konstante war sein fast ungebremster Redefluss, nebst dem reichlich zügigen Fluss a. a. O. Dabei ging’s kaum mehr um das, was die beiden verband, sondern um theoretische Erörterungen darüber, was Frauen und Männer unterschied und auf alle Zeiten trennte. Mit zunehmender Intensität beanspruchte Magnus für sich Motivation und Verhalten des archaischen Mannes. Eva fehlten meist die Worte. Seine Präsenz verwirrte ihre Sinne. Sie wollte keine Grundsatzdiskussionen mit ihm führen, sondern ihm nahe sein, nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Und im Banne seiner Anziehungskraft kapierte sie gar nicht, was er mit seinen Reden erreichen wollte. Das heißt, im Grunde kapierte sie es schon, aber sie wollte es sich nicht eingestehen und schon gar nicht akzeptieren. Magnus’ Äußerungen bedeuteten im Grunde nichts anderes, als dass er jede Verantwortung für sein Tun anderen Instanzen zuordnete: der Biologie, der Erziehung, seinen Neurosen und Evas Unwiderstehlichkeit.
    Erst wenn sie wieder allein war und seine Aussagen noch einmal im Geiste Revue passieren ließ, verstand sie, was er wirklich gesagt hatte. Und das wühlte sie auf und veranlasste sie abwechselnd zu depressiven Verstimmungen oder gepfefferten Kommentaren in ihren Mails.
    Letztere bezeichnete er wiederum als Breitseiten, von denen er sich zuerst erholen müsse, bevor er sich wieder ausführlicher melden könnte. Also Zuwendungsentzug, der sie traf und schmerzte.
    Heckmeck in höchster Potenz.

     
    »Warum tust du dir das eigentlich an?«, fragte ich sie zum wiederholten Mal, obwohl mir völlig klar war, dass hinter ihrer märtyrerinnengleichen Duldsamkeit nichts anderes als ihre verkorkste Erziehung steckte. Aber gelegentliches Nachhaken konnte ja vielleicht doch irgendwann etwas in Bewegung setzen.
    »Genau das würde ich dich auch fragen, wenn du mir einen solchen Fall schildern würdest. Aber wenn ich dir den vermutlich einzig vernünftigen Rat geben würde, dann geschähe dies in Unkenntnis all der

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