Liebling, Ich Kann Auch Anders
einer amerikanischen Filmkomödie wäre ich nun wieder zu der kleinen Gesellschaft zurückgekehrt, um vor aller Ohren mit spitzen Worten an Miss Servitzky Rache zu nehmen und giftige Pfeile abzuschießen: auf ihr fortgeschrittenes Alter, ihre lächerlich goldblonden Engelslocken, die falschen Zähne und die aufreizende Garderobe – was ihr alles zusammen keineswegs die Ausstrahlung einer betörenden Frau verlieh, sondern eher die einer Vogelscheuche. Obendrein hätte ich mich noch erkundigt, ob sie pädophil sei. – Aber für solche Auftritte bin ich leider nicht geschaffen. Im Übrigen hegte ich den starken Verdacht, sie sei völlig ahnungslos, was meine Beziehung zu Benedict betrifft.
Benedict – ha! Ab heute würde er für mich Maledict heißen. Maledictus, der Geschmähte. Aus Benedetto Salvatore Angelo machte ich kurzerhand Maledetto Traditore Diavolo. In Wahrheit war nämlich er der Verräter, der Teufel, ein mieser Gigolo. Eine Erkenntnis durchzuckte mich und steigerte meine Rage: Servitzky gab doch lediglich einen besseren Sündenbock ab, weil ich sie nicht leiden konnte – weil niemand sie leiden konnte. Außer Maledict, wie es aussah. Wenn sie wusste, was zwischen uns lief und er obendrein meine Lästereien über sie zitiert hätte … Dann würde ihr Triumph über mich nun keine Grenzen mehr kennen. Wie oft hatte ich mich über sie lustig gemacht und sie nachgeäfft. Und Maledict hatte sich halb totgelacht. Warum, zum Teufel, nur halb?!
War ihm zuzutrauen, dass er ihr alles brühwarm unterjubelte, der Deserteur? Natterngezücht, das sich Tag und Nacht an meinem Busen gemästet hatte!
Ich verdrückte mich à la Française. Kein Ochsengespann hätte mich jetzt zurück gebracht zu dem fröhlich plaudernden Völkchen und zu Sieglinde Goldlocke, die sicher nicht müde wurde, sich ihrer reizenden Eroberung zu rühmen und erfreuen.
Das Beste wäre es, dachte ich, jetzt in eine dröhnende Disco zu gehen und mir von laut wummernden Bässen mein Herzeleid aus dem Leib trommeln zu lassen. Aber ich kannte keine, die um diese Zeit geöffnet war. Also ging ich heim, rief Eva an und schluchzte meinen Kummer in ihr offenes Freundinnen-Ohr.
Und sie sagte all die Worte, die ich mir von ihr erhoffe: Der Kerl hätte mich nicht verdient, ich sollte froh sein, dass ich ihn so elegant losgeworden sei und: »Du hast Perlen vor die Sau geworfen!«
Wie wohl es doch tat, diesen Satz zu hören. Er drückte genau das aus, was ich empfand. Sie war zutiefst überzeugt, über kurz oder lang wäre ich seiner ohnehin überdrüssig geworden, da ich ihm intellektuell und auch menschlich haushoch überlegen sei. Dann hätte ich ihn abschieben müssen, was bei seinem dicken Fell sicher ein mühseliges Unterfangen geworden wäre. Ja, und dann kam noch ein balsamischer Satz, der mich mehr als alle anderen zu trösten vermochte: »Der wird schon noch merken, was er an dir hatte. Und es wird ihm verdammt wehtun, dass er all das aufgegeben hat. Und wenn er dann angekrochen kommt, kannst du mit ihm machen, was du willst …«
In Sekunden wanderte ich von Ovid zu Shaw, wechselte die Fronten und mutierte von Pygmalia zu Eliza Doolittle. Wart’s nur ab, Maledictus, wart’s nur ab – deine Tränen werden fließen – nicht zu knapp! Blüten der Fantasie eines Blumenmädchens.
Und nun muss ich gestehen, dass ich mich ein klein wenig schäme. Aber ich geb’s trotzdem zu, ein Positives hat das niederträchtige Verhalten dieses miesen Typen: Es liefert Stoff für meinen Roman.
Zwei Tage später stand Beni auf der Matte. Er umarmte mich. Einfach so, als wäre nicht durch sein mieses Agieren die stolze Burg unserer symbiotischen Beziehung zu einem Trümmerhaufen zusammengestürzt. Er ignorierte lässig die Kluft zwischen uns, die nach meinem Empfinden mindestens das Ausmaß des Grand Canyon umfasste.
»Wie geht’s deiner Mutter?«, fragte ich kühl und förmlich, denn unser letztes Gespräch hatte sich ja schließlich um ihre angeschlagene Gesundheit gedreht.
»Ach, ganz gut, sie erpresst mich eben von Zeit zu Zeit mit ihren eingebildeten Krankheiten. Dann sitze ich ein paar Stunden an ihrem Bett und halte ihre Hand. Damit renkt sich das wieder ein.«
Wie rührend und gleichzeitig praktisch! »Dann war es ja gar nicht nötig, dass du lange auf dem Hof bliebst.«
»Ach wo, zwei Tage, dann war der Käse gegessen.« Er schaute mich an und strahlte. Und dann berichtete er mir von der Servitzky. Dass sie ihn zum Essen
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