Liebling, Ich Kann Auch Anders
geschafft. Ohne dich wäre ich auch nie so schnell über Annika weggekommen. Wenn ich mir vorstelle, wie ich gelitten habe! Das war echt nicht mehr normal. Aber du hast mich da rausgeholt. Jetzt fühle ich mich wieder wie ein vollwertiger Mann.«
Ach ja, du gibst also zu, dass du dich mir als minderwertiger präsentiert hast?
In Siegerpose warf er die Arme in die Höhe. »Ich trau mir wieder alles zu. Das werde ich dir nie vergessen. Du bist so ein toller Kumpel!«
Bei so einem Geschwätz fragt sich doch jede Frau, ob der Typ, der solchen Mist absondert, richtig tickt. Er machte doch alles noch viel schlimmer. Aber er meinte es nicht böse. Er konnte nur nicht anders, als die Welt ausschließlich aus seiner egozentrischen Perspektive zu betrachten, ohne auch nur einen winzigen Gedanken daran zu verschwenden, was andere denken oder fühlen könnten. (Mamas Prinzchen …) Aber ich kenne das ja – die Geschichte wiederholt sich. Es ist mein Fluch. – Ähnliche Konstellation, dieselben Worte, der gleiche ohnmächtige Zorn. Bin ich verdammt, eine Art Sisyphe – oder Sisyphene? Jedes Mal, wenn ich glaube, nun die Sache im Griff, die Last im Schweiße meines Angesichts ans Ziel gebracht zu haben, dann rollte der Stein wieder zurück, quetschte mir die Zehen und ramponierte meine Seele.
Oder bin ich eine Danaide, die permanent Wasser in ein löchriges Fass zu schöpfen hat? Ja, so kam ich mir vor. Doch die Tatsache, dass Leidensgenossinnen und Genossen in großer Zahl die griechische Mythologie bevölkerten, half mir jetzt gerade überhaupt nicht.
»Ich möchte unbedingt, dass wir Freunde bleiben!«, verkündete der Deserteur und setzte dabei seinen bewährt anrührenden Dackelblick auf, der mich in der jüngeren Vergangenheit zuverlässig hatte dahinschmelzen lassen. Bleiben. Bleiben setzt voraus, dass was da ist. Aber meine Gefühle für Maledict lagen schockgefrostet auf Eis. Meine Honorarnote wird dir in den nächsten Tagen zugehen, hätte ich jetzt sagen müssen, wenn ich Sibylles Vorgaben besser beherzigt hätte. Und wenn er mich dann groß und noch dackeliger angeglotzt hätte, wäre ich ins Detail gegangen: für Kost, Logis und therapeutische Maßnahmen. Die emotionale Zuwendung und die erotischen Gefälligkeiten kannst du als Geschenk betrachten. Nach diesen Worten hätte ich mich dann abrupt umgedreht, und wäre hoch erhobenen Hauptes davongeschritten. Das hätte vermutlich mein Wohlbefinden gefördert. Aber da ich im Grunde eben doch eine Gefühlstrine bin und er mich trotz allem noch berührte, schluckte ich all meine Bosheiten runter, erwiderte nur: »Mal sehn«, und beschloss zugleich, mich demnächst Sibylle in Sachen Imageberatung anzuvertrauen. Aber dann versetzte mir die Wut einen frischen Energieschub.
»Den Schlüssel solltest du mir noch zurückgeben.«
»Äh … muss das sein?«
»Ja, selbstverständlich. Es gibt ja wohl keinen Grund mehr …«
»Äh … darüber wollte ich auch mit dir reden … äh … mhm, wenn du so komisch guckst, fällt’s mir total schwer, das jetzt zu sagen … äh … aber könnte ich nicht weiter bei dir wohnen?«
»Wie bitte?«
»Tja, die in der WG haben vorübergehend mein Zimmer einem anderen gegeben, weil ich eh nie da war. Und auf dem blöden Sofa in dem verrauchten Wohnzimmer – das ist echt die Hölle.«
»Wieso wohnst du denn nicht im rosa Plastikhaus deiner Flamme?« In der Vergangenheit (als unsere Burg noch stand) hatte ich gelegentlich darüber gelästert, dass Servitzky mit ihrer vollsynthetischen Persönlichkeit bestens in den Barbieclan passen würde. Etwa als Tante Marilyn, die eine längere Dürreperiode hinter sich hat, aber immer noch die sexy Klamotten von früher trägt, die freien Blick auf ihren Sinkbusen gewähren.
»Siggie möchte nicht, dass ich über Nacht bleibe.«
Das ist ja reizend! Ich hoffe, du vermisst gründlich die Momente, in denen wir im Halbschlaf zusammengeglitten sind und die Augenblicke, während derer du am Morgen schlaftrunken in mir erwacht bist. Besonders dann, wenn du nach einem Karriere-Akt aus dem warmen Bett durch die kühle Nacht wanderst, einem einsam quietschenden Sofa in einer stinkenden WG entgegen … »Ach, und warum nicht?«
»Sie möchte nicht, dass ich sie ungeschminkt sehe.«
Ts! Diese Sorge halte ich für müßig, du würdest sie doch ohnehin nicht erkennen. Sie könnte sich glatt für ihre eigene Putzfrau ausgeben. Diese Bemerkung lag mir auf der Zunge, aber ich sprach sie nicht aus.
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