Liebling, Ich Kann Auch Anders
damit wird’s auch schöner und hält länger.«
Na bitte, gibt’s ein besseres Argument, Schmerzen zu ertragen? So folgte ein Gänsehaut-Schauer dem nächsten bei der Tortur, die ich ahnungslos auf mich genommen hatte. Wahrscheinlich bin ich tatsächlich wehleidig. Es gelang mir jedenfalls beim besten Willen nicht, mir einzubilden, es handelte sich um eine wohltuende Kopfhautmassage, als Alberto mit einer Häkelnadel Strähnen meines frisch getrimmten Haars aus einer Art Gummibademütze rupfte. Jetzt im Augenblick, während ich das schreibe, stehen mir in Erinnerung an den Gewaltakt sofort die Haare zu Berge! Während die Farbe einwirkte, befasste sich ein schrilles Mädchen namens Sabrina mit mir, deren Gesicht einen hohen Metallanteil aufwies und die in eine erdrückend schwüle Parfümwolke gehüllt war. Sie manikürte mich mit großer Geschicklichkeit und färbte meine Wimpern und Brauen. Nachdem meine Haare gestylt waren, verpasste sie mir ein dezentes Make-up, das all meine düsteren Erwartungen Lügen strafte. Ich muss offen gestehen, das Ergebnis meines Aufenthalts in dem Verschönerungstempel konnte sich insgesamt sehen lassen. Der Meinung war auch Sibylle, als sie mich wieder in Empfang nahm.
»Na bitte, du siehst richtig toll aus! Ich hoffe, du machst dir das entsprechend bewusst, damit sich das neue Selbstbewusstsein auch in deiner Haltung und deinem Auftreten niederschlägt! – Zeig Allure!«
»Ich arbeite daran.«
Sie lächelte milde und zog mich zum Laden hinaus, als ich auf die Kassentheke zusteuern wollte. »Ist schon erledigt.«
»Hm, praktisch, danke. Was kriegst du von mir?«
»Ein freundliches Lächeln.«
»Wie bitte? Das war aber nicht abgemacht!«
»Vergiss es. Ich bekomme ohnehin Sonderkonditionen. Im Übrigen glaubst du ja gar nicht, wie sehr ich mich darüber freue, dass du endlich mal auf mich hören willst. Es macht mich glücklich, dir ein neues Ich zu schenken. Du wirst sehen: Dein Leben bekommt eine völlig neue Qualität!«
Sie glaubte, was sie sagte, und ich beschloss, konstruktiv abzuwarten und mich möglichst positiv überraschen zu lassen. Anschließend bugsierte sie mich noch in zwei Bekleidungshäuser, ein Schuhgeschäft und eine Parfümerie, wo wir mit auserlesener Zuvorkommenheit bedient wurden, was ein Novum für mich darstellte. In zahlreichen gelackten Tüten brachten wir meine neue Identität nach Hause, wo uns im Flur vor den Briefkästen Charly im Wege stand. Er verschlang Sibylle mit den Augen und erbot sich höflichst, den Lastenträger zu mimen, was sie ihm gern erlaubte. Ich erlaubte mir dann, die Aufforderung in seinen Augen zu ignorieren, die eindeutig darauf abzielte, dass ich ihn hereinbitten sollte.
Nachdem wir die ganzen Tüten ins Schlafzimmer verfrachtet hatten, öffnete ich eine Flasche Prosecco. Sibylle stieß mit mir auf mein neues Leben und ich mit ihr auf ihr erfolgreiches Wirken an.
»Zur Feier dieses Aktes darf ich dich aber zum Essen einladen?«, fragte ich.
»Ja, gern. Aber zuvor möchte ich aussuchen, was du anziehst.«
Während ich mich umzog, rief sie bei Käfer an, fragte nach den Empfehlungen des Tages und reservierte einen Tisch in strategisch günstiger Lage. Als ich in meinem neuen Outfit das Wohnzimmer betrat, klatschte sie Beifall, den ich nach meinen vorangegangenen erstaunten Blicken in den Spiegel für gar nicht so unberechtigt hielt.
»Bleib so stehen!«, rief sie, zog ihre Lady-Kamera in einer Schutzhülle aus schwarzem Leder mit Strass-Besatz heraus und knipste mich aufs Neue.
»Aha, jetzt kapiere ich! Du willst mich in deine Vorher-Nachher-Serie aufnehmen.«
»Ja selbstverständlich. Ein solcher Erfolg muss schließlich dokumentiert werden.«
»Schade, dass Eva nicht da ist«, bedauerte ich.
Wir hielten es beide für dringend angebracht, sie umgehend anzurufen. Eva lachte über unsere gemeinsame Aktion. Wir hatten – wie üblich bei unseren Dreiergesprächen – die Konferenzschaltung aktiviert.
»Wirklich ein Jammer, dass ich dich nicht sehen kann, Eliza.«
»Na dann komm halt! Wenn’s gut läuft, bist du in drei Stunden da.«
»Geht nicht, ich bin alkoholisiert. Leonardo hat mich vorhin zu einem Fruchtsalat mit ziemlich viel Cointreau drin verführt.«
»Dann maile ich dir die Fotos«, versprach Sibylle. »Und jetzt gehen wir zu Hummer, einen Käfer essen oder auch mehrere oder auch umgekehrt …«
»Mhmmm, das könnte mich auch reizen. Ich werde in Gedanken bei euch sein.«
»Und sonst, gibt’s was
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