Liebling, Ich Kann Auch Anders
Neues?«
»Ja, schon.« Sie kicherte. »Ich habe eine neue Korrespondenz mit Magnus begonnen.«
»Du hast was?«, riefen wir beide wie aus einem Munde.
»Na ja, nachdem er mir nur noch so selten schrieb, dachte ich, ich lasse mir was Neues einfallen. Ich habe ihm also übers Internet eine elektronische Postkarte geschickt, Klimts Kuss, ihr wisst schon, dieses Paar mit viel Gold, das sich im Stehen so innig umarmt.«
»Sehr passend! Anrührend und kitschig«, spöttelte ich.
»Finde ich auch. Und dazu habe ich geschrieben: ›Ein Hauch deiner Lippen auf meiner Haut. Kuss von deiner Traumtänzerin.‹ Unterschrieben habe ich mit Lola M.«
»Oho, wie pikant! Die schöne tanzende Versuchung, die den Monarchen zu bezaubern und zu ruinieren vermochte. Gut gewählt, das Pseudonym. Du siehst ihr sogar ein wenig ähnlich.«
»Und welchen Absender hast du angegeben?«, wollte Sibylle wissen, die sich mehr für die technische Seite interessierte.
»Na Lola M. – aber mit einem Schweizer Postfach.«
»Und? Hat er reagiert?«
»Ja, umgehend.«
»Und du meinst, er weiß, dass du das bist«, erkundigte ich mich.
»Na klar, wer denn sonst? Ich denke, es gefällt ihm, wenn ich auf der spielerischen Schiene agiere. Jedenfalls hat er sich mit einem der Sixtinischen Engelchen von Raffael revanchiert. Er schrieb: ›Einem Engelchen von einem Bengelchen – mit einem himmlischen Kuss‹.«
»Na, das entspricht aber nicht gerade seinem gewohnten Niveau«, nörgelte ich.
»Virtuelle Reproduktionen von Gemälden inspirieren vielleicht weniger als Originaltexte. Ich denke, damit wollte er nur signalisieren, dass er auf das Spiel eingeht. Und der himmlische Kuss ist doch immerhin süß.«
»Da kann ich nicht mitreden. Aber hast du ihm schon geantwortet?«
»Nein, ich gehe das ganz langsam an.«
»Aha? Aber unter der gewohnten Anschrift verkehrt ihr weiterhin miteinander?« Sibylle wollte es wirklich genau wissen.
»Auch das bleibt abzuwarten. Bisher hat er sich da nicht mehr gemeldet.«
»Schieß ihn doch endlich auf den Mond!«
»Eines Tages vielleicht, wenn ich die Zeit für reif halte.«
»Ich halte die Zeit für reif, essen zu gehen«, stöhnte ich, da ich keinen Sinn darin sah, jetzt eine Grundsatzdiskussion anzuzetteln. Zumal mein Magen wirklich knurrte.
Wir wurden bedient wie die Königinnen. Sibylle war bekannt in dem Lokal, sie tafelte dort oft mit ihrer Klientel. Vermutlich an etwas diskreteren Tischen. Heute saßen wir nämlich – ihrem Wunsch gemäß – geradezu auf dem Präsentierteller. Etliche Leute kamen auch her, um sie zu begrüßen. Ein paar davon hatte ich auf ihrer Party gesehen, aber sie hatten von mir wohl keine Notiz genommen. Jedenfalls erkannten sie mich nicht wieder, gaben sich jedoch überaus höflich, als Sibylle mich als ihre Freundin, eine aufstrebende Autorin vorstellte.
Während der folgenden Tage konnte ich mit Verblüffung feststellen, dass ich offenbar anders als bisher wahrgenommen wurde. In Lokalen wurde ich kaum mehr übersehen und deutlich schneller sowie freundlicher bedient. Auf der Straße und in der U-Bahn fing ich interessierte Blicke von Männern auf – und zwar nicht mehr wie bisher nur von solchen, die streunenden Hunden auf der Suche nach einem Wurstzipfel glichen. Denjenigen allerdings, die sich bereits ihr fixes Bild von mir gemacht hatten, schien keine Veränderung aufzufallen.
So etwa Charly. Wir trafen uns auf der Straße vor dem Haus. Er strahlte wie immer und begrüßte mich mit großem Hallo, sah mich dabei aber kaum an. Und ich kapierte sofort, dass es nicht um mich ging. »Hi, Eliza, alles okey-dokey?«
»Danke, es geht mir gut.«
»Äh, sag mal, die Frau, mit der du da vor ein paar Tagen zugange warst … Echt heißes Teil … Wäre genau das Richtige für meiner Mutter Sohn.«
»Na, das glaube ich jetzt aber weniger!«
»Wieso?«
»Sie schwärmt nicht gerade für aufgetaute Pizza.«
»Hä, du bist vielleicht witzig! Das denk ich mir.«
Na bitte, da hatte ich es mal wieder!
»Für so eine Frau würde ich schon ganz schön was springen lassen, das kannst du mir glauben!«
Er meint es nicht so, sagte ich mir im Stillen, um mich zu bremsen und ihm nicht ins Gesicht zu springen. Es ist die ganz normale unsensible Gedankenlosigkeit des Ypsiloniers.
»Gut. Ich werd’s ihr sagen. Sie kennt ja die Nummer. Wenn sie interessiert ist, kann sie sich bei dir melden.«
Er schenkte mir ein glückliches Strahlen. »Also Eliza, eins muss ich dir lassen: Du
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