Liebling, vergiss die Socken nicht
Sendung überhaupt anfing. Seit sie ihre Nervosität überwunden hatte, machte Ally ihre Kummerecke großen Spaß. Manche Probleme, mit denen man sich an sie wandte, waren so tragisch, dass nicht einmal Freud sie hätte lösen können, und schon gar nicht in zehn Minuten live im Fernsehen. Aber manchmal hatte sie nach der Sendung den Eindruck, dass sie doch hatte helfen können. Das war ein schönes Gefühl. Die zehn Minuten, die sie bei Hello für vier Anrufer hatte, waren allerdings lächerlich. Doch mit einer halben Stunde könnte sie vielleicht wirklich etwas ausrichten.
Es gab nur ein Problem, das ihre Stimmung trübte: Wie würde Matt reagieren? Seine neugestaltete Show war kein Erfolg für ihn.
»Gottverdammte Scheiße!« Belinda knallte den Hörer auf die Gabel und war froh, dass die Tür geschlossen war und nicht das ganze Büro ihre Niederlage miterlebt hatte. Jordan Reed, ein Herzensbrecher aus den USA mit gewissen Verbindungen zur rechtsradikalen Szene, hatte gerade das Interview abgesagt, das sie Wochen zuvor vereinbart hatten. Er hatte nämlich beschlossen, in der Danny Wilde-Show aufzutreten. Sein Agent hatte ihm unverhohlen gesagt, dass er es dort leichter haben würde.
Wie, zum Teufel, sollte sie das Matt beibringen? Er bereitete sich schon seit Tagen auf Reed vor. Zu allem Überfluss hatten sie auch schon die Ankündigung an die Presse herausgegeben. Belinda griff nach dem Telefon, um die Presseabteilung anzuweisen, sie zurückzuziehen. Auf einmal hielt sie inne. Was würden die Aasgeier des Showgeschäfts daraus machen, noch dazu, wenn kurz darauf Big City Television anriefe, um mitzuteilen, dass Jordan Reed in Danny Wildes Show kommen würde? Vielleicht sollten sie es besser verschweigen und hinterher behaupten, es sei eine Verwechslung gewesen. Aber dann würden Massen von Zuschauern anrufen und sich beschweren. Trotzdem wäre das möglicherweise weniger peinlich als eine Schlagzeile wie ›Matt Boyd unterliegt jüngerem Rivalen‹. So etwas hatte ihnen momentan gerade noch gefehlt.
Matt kam herein und setzte sich an seinen Schreibtisch. »Roy hat erzählt, er hätte erstklassiges Material über Jordan Reeds Verbindungen zum Ku-Klux-Klan ausgegraben.«
Die Begeisterung stand ihm ins Gesicht geschrieben, und es war ihr ein Greuel, sie durch das, was sie ihm zu sagen hatte, auszulöschen.
»Matt.« Belinda stand auf und blieb direkt vor ihm stehen.
»Was ist denn los, Frau Doktor? Wollen Sie mir etwa mitteilen, dass ich nur noch drei Monate zu leben habe?«
Belinda lächelte matt. »Offen gestanden geht es um Jordan Reed. Ich fürchte, ich habe schlechte Neuigkeiten.«
Matt erhob sich und verließ wortlos ihr gemeinsames Büro. Ihm war sterbenselend. Es gab nur einen Menschen, den er sehen wollte: Ally. Es war eine verrückte Idee, sich auf den Weg zu ihr zu machen, das wusste er. Er hätte gerade genug Zeit, nach Hause zu rasen und eine halbe Stunde mit ihr zu verbringen, bevor er in einem Höllentempo wieder zum Studio zurückfahren musste. Doch heute schien es ihm das wert zu sein.
Die Straßen waren frei, und Matts Stimmung besserte sich ein wenig. Als er an die Abzweigung zu ihrem Haus kam, paarte sich seine Erleichterung mit Euphorie, als er sich vorstellte, Ally zu überraschen.
Doch als er sein Auto in die Garage einparkte, überfiel ihn die Enttäuschung wie ein Keulenschlag. Ihr Wagen war nicht da. Sie musste ausgegangen sein. Einen Moment lang blieb er in der kalten Stille sitzen, und ihm wurde bewusst, wie sehr sie zu seinem Ruhepol geworden war, dem Punkt, der sein Leben im Gleichgewicht hielt. Und doch hatte er sie stets als selbstverständlich hingenommen. Bis jetzt. Bis sie nicht mehr ständig da war. Er spielte kurz mit dem Gedanken, zu wenden und auf der Stelle zurückzufahren. Dann hörte er Sox bellen, und Ally tauchte aus der Richtung des Schuppens auf, die Arme voll mit Scheiten von den Apfelbäumen, die er letzten Herbst im Obstgarten gefällt hatte. In der Kälte gefror ihr Atem zu kleinen Wölkchen. Bei ihrem Anblick fielen ihm Zentnerlasten vom Herzen.
Als sie um die Hausecke bog, war Ally verwundert, Matt aus seinem Auto steigen zu sehen. Heute war sein Studio-Tag. Sie lächelte. Vielleicht konnte sie ihm ihre Neuigkeit erzählen.
»Hallo, Fremder. Was führt dich nach Hause?« Sie hielt ihm die Wange hin, die von der Kälte gerötet und ganz glatt war. Er war noch nie so aufs Geratewohl aufgetaucht. Dann fiel ihr etwas ein. Ihre Augen blitzten ihn
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