Liebling verzweifelt gesucht
Hin und Her landete ich schließlich telefonisch bei dem Tierarzt, der den Kater tätowiert hatte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er in seinen handschriftlichen Notizen im Archiv die Besitzerin von Poldi, so hieß der Kater, ausfindig machen konnte. Er hatte ihn bereits vor 17 Jahren kastriert und tätowiert. Poldis Besitzerin, Frau K., war nur dieses eine Mal bei dem Tierarzt gewesen, daher konnte er mir nicht sagen, ob ihre Anschrift noch stimmte. Eine Telefonnummer hatte er nicht. Ich recherchierte im Internet, konnte aber auch hier keine weiteren Angaben zu Frau K. finden. Daherbat ich den ehrenamtlichen Mitarbeiter des Tierheims, Herrn B., direkt zu der Adresse in Unterhaching zu fahren, die der Tierarzt mir genannt hatte.
Herrn B. kenne ich bereits seit über 17 Jahren. Er ist ein sehr eifriger Helfer, der sich stets mit großem Engagement für Tiere einsetzt. Ich darf ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen, wenn ich Unterstützung brauche. Er fuhr sofort los und rief mich abends zu Hause an. Er hatte Frau K. tatsächlich unter der gleichen Adresse angetroffen. Als er ihr von Poldi berichtete, war sie völlig perplex. Ihr Kater war nämlich bereits vor sage und schreibe 16 Jahren verschwunden. Verständlicherweise konnte sie kaum glauben, dass er nach so langer Zeit wieder aufgetaucht sein sollte.
Ich rief Frau K. noch am gleichen Abend an und versicherte ihr, dass es sich bei dem Kater um ihren Poldi handele. Sie erzählte mir, warum er vor so vielen Jahren eines Tages verschwunden war. Sie hatte damals eine zweite Katze, die sich nicht mit Poldi verstand. Die beiden fauchten sich häufig an und kämpften heftig miteinander. Poldi war mehrmals geflüchtet und Frau K. hatte immer wieder nach ihm suchen müssen. Als er wieder einmal Reißaus vor seiner Artgenossin genommen hatte, blieb er endgültig verschollen. Frau K. meldete ihn nach einer Weile als vermisst, vergaß ihren getigerten Kater jedoch nie. Oft hatte sie sich gefragt, ob er noch am Leben war und wie es ihm wohl ergehen mochte.
Während wir miteinander telefonierten, wich ihre Skepsis langsam der Freude. Nach und nach konnte ich sie davon überzeugen, dass es sich bei dem Fundkaterzweifelsfrei um ihren Poldi handelte. Frau K. wollte ihn in den nächsten Tagen im Tierheim abholen. Sie hatte vor, sich eine Woche Urlaub zu nehmen, denn sie hatte noch eine andere Katze und wollte sie behutsam mit Poldi bekanntmachen, damit es nicht wieder zu Streitigkeiten kam. Das wollte sie keiner der beiden Katzen zumuten.
Poldi war ein sehr ungewöhnlicher Fall. Sechzehn Jahre vermisst, das brach alle Rekorde. Deshalb gab unsere Pressereferentin die Geschichte an die Medien weiter. Damit kam eine Lawine ins Rollen. Die Nachricht von Poldi ging blitzschnell um die ganze Welt. Plötzlich liefen bei mir im Büro die Telefone heiß. Zahlreiche Reporter riefen an und wollten Näheres über Poldi erfahren. Sogar die BBC bat mich um ein Interview. Von England und Frankreich über die USA, Brasilien und Argentinien bis nach Japan und China, überall berichtete man über Poldi. Viele Menschen auf der ganzen Welt freuten sich, dass die Besitzerin des Katers gefunden worden war und er endlich wieder nach Hause konnte.
Doch dann nahm die Geschichte eine unerwartete Wendung. Auch bayerische Radiosender berichteten über Poldi, und Herr S., ein Katzenbesitzer aus Glonn, hörte die Geschichte im Autoradio. Die Beschreibung des Tiers traf genau auf seinen Tigerkater zu, der seit circa einer Woche verschwunden war. Auch dieser war schon sehr alt und mager – und ihm fehlten die Vorderzähne! Herr S. hatte sie ein paar Jahre zuvor entfernen lassen müssen, weil sie vereitert waren. Bei der Katze aus dem Radio musste es sich um seinen Burli handeln,der seit 16 Jahren bei ihm war. Da war er sich ganz sicher.
Damals war der Kater Herrn S. eines Tages zugelaufen. Er hatte ihn zum Tierarzt gebracht, um seine Identität anhand der Tätowierung feststellen zu lassen. Allerdings war es dem Tierarzt nicht gelungen, sie zu entziffern, da die Zahlen und Ziffern bereits ziemlich verblasst waren. Herr S. hatte also völlig korrekt gehandelt. Da man das Tier keinem Besitzer zuordnen konnte, behielt er den anhänglichen Kater.
All die Jahre hatte sich Burli nie weit vom Haus und dem großen Garten entfernt. Da er nun zum ersten Mal verschwunden war, hatte Herr S. bereits befürchtet, er habe sich zum Sterben zurückgezogen. Umso mehr freute er sich, als er zufällig die Meldung im
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