Lieblingsmomente: Roman
lächelt verlegen. Er hat sich im letzten halben Jahr wirklich verändert. Er wirkt irgendwie entspannter.
»Deine Fotos sind wirklich toll. Sie … berühren einen, tief. So habe ich Stuttgart noch nie gesehen.«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, denn ich kann noch nicht ganz glauben, was ich da eben aus seinem Mund gehört habe. Das war ein ziemlich großes Kompliment für meine Arbeit, und er meint es ernst. Das erkenne ich in seinem Blick.
»Danke, Oli.«
Wir stehen schweigend zusammen, er betrachtet die Bilder hinter mir und schenkt ihnen ehrliche Aufmerksamkeit. Meine Muskeln verkrampfen sich leicht. Ich wette, er wird mir doch gleich wieder sagen, was ich noch verbessern könnte und was dem Foto noch fehlt.
»Sie sind perfekt.«
So fasziniert, wie er meine Bilder anstarrt, starre auch ich ihn an. Wer ist dieser Mann? Und was hat er mit meinem Ex-Freund gemacht? Er bemerkt meinen Blick und lächelt mich entwaffnend an.
»Ich bin stolz auf dich, Layla.«
Bevor ich etwas erwidern kann, nickt Oliver mir zu, tätschelt mir die Schulter und lässt mich wieder alleine mit meinem Erfolg – und auch mit dem Nachhall seiner Worte in meinem Kopf. Er ist stolz auf mich. Auch wenn es albern und vollkommen dämlich ist: Es tut gut, das zu hören. Manchmal muss man offenbar einfach mal ein halbes Jahr warten und um die halbe Welt reisen, um das zu bekommen, was man sich jahrelang so sehr gewünscht hat. Wer hätte das gedacht?
Plötzlich steht Beccie neben mir, drückt aufgeregt meinen Unterarm und holt mich damit zurück in die Realität. Sie strahlt mich an und scheint den Trubel um uns herum ebenso wenig fassen zu können wie ich: Ja, wir stehen hier zusammen in tollen Kleidern auf meiner ersten echten Ausstellung.
»Das ist der Hammer. Der absolute Hammer. Schau dich mal um: Alles, was Rang und Namen hat, ist hier. Wahnsinn!«
Sie greift nach einem Glas Sekt und schaut sich die zahlreichen Besucher mit einem breiten Grinsen an.
»Und ich kann allen sagen, dass ich dich schon vor deinem großen Durchbruch kannte.«
»Großer Durchbruch, klar.«
Sie sieht mich pikiert an.
»Wie würdest du es denn sonst nennen?«
»Zufall? Glücksfall? Missverständnis?«
»Quatsch. Du hast dir das erarbeitet. Und die Ausstellung mit deinen Reisebildern nächstes Jahr hast du dir auch verdient. Niemand hat dir was geschenkt. Das ist kein Glück, Süße. Das ist harte Arbeit und Talent. Und ich bin stolz auf dich.«
Ich lächle sie an, weiß aber auch, dass mich alle hier im Raum durchschauen werden. Spätestens in drei Minuten. Dann werden sie sehen, dass ich nicht das Zeug zur echten Fotografin habe. Dann lassen sie mich fallen, nehmen mir meine Eintrittskarte für den Club der »coolen Stuttgarter« wieder weg und schicken mich auf Abi-Feten, um wieder betrunkene Kinder zu knipsen. Diese Angst breitet sich immer weiter in meinem Inneren aus, aber noch ist es nicht so weit. Noch kann ich den Moment genießen. Noch sollte ich den Moment genießen, bevor er vorbei ist.
Wir mischen uns etwas unter die Menschen, plaudern, nicken ihnen zu, und ich nehme mit immer roter leuchtenden Wangen immer unglaublichere Komplimente an. Vor einem Bild bleiben wir schließlich stehen. Es zeigt einen jungen Mann in einer tanzenden Menschenmenge, die Augen geschlossen. Es ist das Herzstück dieser Ausstellung, die den Titel » Stuttgart – einzigartig vielseitig« trägt. Ich sehe ihn und muss lächeln. Ohne ihn gäbe es die Fotos nicht. Ohne ihn gäbe es vieles nicht. Ich betrachte das Foto und stelle erneut fest, wie vertraut mir sein Gesicht geworden ist. Ich atme tief durch. Gleich müsste er da sein. Wir werden uns wiedersehen. Zum ersten Mal seit … viel zu langer Zeit.
»Er ist gleich hier.«
»Ich weiß.«
Und ich weiß, dass ich nicht weinen darf, wenn ich ihn gleich sehe. Schon alleine, weil ich Beccie das nicht antun könnte. Mein Augen-Make-up hat mehr als eine Stunde gedauert, und es sieht ohne verwischte Tränenspuren einfach besser aus.
Ich muss daran denken, wie er so urplötzlich in meinem Leben war. Durch einen dummen Zufall, und dann hat eines das andere ergeben. Wir saßen im Park und haben Burger gegessen, in den Weinbergen beim Württemberg eine unglaubliche Nacht mit Sternschnuppen und Wahrheit oder Pflicht verbracht. Wir sind uns mit jeder gemeinsamen Minute nähergekommen. Ich habe eine 180-Grad-Drehung in meinem Leben hingelegt, habe alles Vertraute und Gewohnte hingeworfen, um meinem Traum zu folgen.
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