Lieblingsmomente: Roman
angefangen. Damals, als ich die Kinderserie Flipper zum ersten Mal im TV gesehen habe, war ich sofort bis über beide Ohren in Sandy verliebt. Mir war klar, so muss mein zukünftiger Mann eines Tages aussehen. Danach folgten Poster des Surfweltmeisters Kelly Slater, der ebenfalls genau in dieses Beuteschema passt. Und dem bin ich bis heute treu geblieben. Blond, blaue Augen, sportlich, glatt rasiert. Dunkelhaarige, mysteriöse Typen mit leuchtenden grünen Augen haben mich niemals angesprochen, und sie werden mich niemals ansprechen. Auch ein Dreitagebart und Tätowierungen lassen mich kalt. Ich stehe nicht auf dieses Bad-Boy-Image von wegen Lederjacke, Ohrringe und Motorrad. Das ist so, und damit kann ich sehr gut leben. Außerdem sind Beccie und ich uns deshalb nur selten in die Quere gekommen, wenn es um Männer ging. Sie suchte sich die Bad Boys, und ich landete bei Prince Charming.
»… und zweitens, liebe Layla, hast du ja Oli.«
Ja. Seit fünf Jahren habe ich Oliver, meinen Freund.
Das Pling! meines MacBooks sagt mir, dass alle Bilder nun auf der Festplatte sind, und ich öffne den Ordner. Wie immer will ich mir meine Ausbeute sofort ansehen. Bei manchen Fotos weiß man schon im Moment der Aufnahme, dass es ein neues Lieblingsbild wird. Auch heute Abend hatte ich wieder dieses Gefühl, und bisher hat es mich nie getäuscht.
Ich klicke mich diesmal allerdings etwas hektischer als sonst durch die Vorschau auf der Suche nach einem ganz besonderen Bild. Eigentlich suche ich diesmal eine ganz besondere kleine Bilderserie, von der ich mir viel verspreche. Dabei lasse ich alle anderen Bilder links liegen. Mögen sie auch noch so gelungen und schön sein, nehme ich sie doch nicht wahr. Da sehe ich die Bilder, nach denen ich gesucht habe. Ich weiß nicht, was ich darauf zu finden hoffe, aber als ich das erste Bild öffne, zittern meine Hände leicht. Der Mauszeiger fliegt zum ersten der vier Bilder. Doppelklick, und mit einem Mal nimmt es den ganzen Bildschirm ein und … mein Herzschlag will kurz aussetzen. Die tanzende Menge ist unscharf, man erkennt die Menschen zwar, aber der Fokus liegt auf einer einzigen Person. Die Abendsonne steht so, dass sie ihn in weiches, warmes Licht hüllt. Wieder höre ich die Musik, schmecke die Atmosphäre, und ich bin froh, dass es mir gelungen ist, genau diesen Moment einzufangen. Tristan ist dabei das ruhige Zentrum. Sein T-Shirt ist schlicht, kein wilder Aufdruck, kein Anzeichen für eine bestimmte oder bekannte Marke. Es ist einfach nur weiß. Keine Kette, keinen Schmuck. Ich klicke auf das nächste Foto, das etwas näher an seinem Gesicht ist. Ich betrachte die Form seines Kinns, den Hals, die Schultern, die Form seiner Lippen. Er ist kein klassischer Schönling, er hat keine perfekten Augenbrauen, die jede Frau auf dieser Welt vor Eifersucht erblassen lässt, und der leichte Dreitagebart lässt ihn etwas älter wirken, als er vermutlich ist. Aber er ist wunderschön, und ich spüre wieder dieses leise Flattern in mir. Ich klicke auf das dritte Bild, und plötzlich höre ich seine Stimme. Sie klingt noch immer in meinem Ohr. Auch sein Geruch ist wieder da, die raue Wärme seiner Haut. Dann klicke ich das vierte Bild an und weiß sofort: Es ist das Eine. Die anderen Bilder kann ich löschen. Ich kann es nicht in Worte fassen, aber beim Anblick dieses Fotos zieht sich mein Herz zusammen und stößt einen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch aus. Das hier ist das schönste Foto, das mir seit Langem geglückt ist. Und das Motiv ist einfach atemberaubend. Ich betrachte das Bild noch eine kleine Weile, präge mir seine Gesichtszüge ein, erinnere mich an alles, was dann kam: das Gespräch, mein heldenhafter Einsatz als Florence Nightingale, sein …
»Du bist ja schon zu Hause.«
Ich fahre erschrocken zusammen, als mir jemand von hinten einen Kuss auf die Wange drückt. Panisch klappe ich das MacBook zu und verschütte dabei fast meinen Kaffee.
»So schreckhaft? Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du schon da bist.«
Es ist Oliver, der in einem T-Shirt und Boxershorts hinter mir steht und dessen blonde Haare vom Schlaf in eine wilde, für ihn untypische Unordnung gebracht worden sind. Mein Oliver, der jetzt mit schlurfenden Schritten um die Couch herum in die Küche geht. Der Mann, mit dem ich diese Wohnung, den Tisch und vor allem das Bett teile. Der Mann, den ich liebe und mit dem ich mir eine Zukunft aufgebaut habe. Mein Freund. Die Worte fühlen sich auf einmal
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