Lieblingsstücke
Sekretär.
Das aber ist leider nicht drin. So viel wirft mein Geschäft nicht ab.
Ein weiteres Problem bei diesem Job ist meine eigene Gier. Manche, zum Glück nicht wahnsinnig viele, Auktionsstücke sind so wunderbar, dass ich es nicht übers Herz bringe, sie herzugeben. Mit anderen Worten: Die Kunden bringen sie zu mir, ich sage, dass ich sie versteigere, in Wirklichkeit behalte ich sie aber für mich. Jetzt ist es raus. Ich weiß, ich weiß, das ist absurd, weil es ja eigentlich darum geht, mit dem Verkauf Geld zu verdienen und nicht Geld auszugeben. Völlig kontraproduktiv. Vor allem wollen die Kunden so oder so ihr Geld. An diesem unangenehmen Teil des Geschäfts komme ich nicht vorbei. Also tue ich auch so, als würde ich die Sachen versteigern, überlege mir einen annähernd realistischen Kaufpreis, der sogar fast immer ein wenig über dem vom Verkäufer erwarteten Mindesterlös liegt, und bezahle. Ist das jetzt trotzdem eine Form von Betrug? Wahrscheinlich ja. Andererseits wollen die Verkäufer ja nicht mehr als eine bestimmte Summe für ihren Gegenstand. Und die bekommen sie ja auch. Insofern kann es ihnen doch wurscht sein, ob ich kaufe oder irgendein Hansel in der eBay-Welt. Geld ist Geld, und von wem es kommt, dürfte ja keine Rolle spielen. Eigentlich müsste es doch sogar sehr schön für sie sein, zu wissen, dass ich mich höchstpersönlich erbarme, ihren verstoßenen Sachen ein neues Zuhause biete. Natürlich, wenn man es ganz ehrlich betrachtet, wäre es möglich, dass durch die Versteigerei mehr Geld reinkommt als durch meinen Einkauf. So bescheuert, dass ich bei mir selbst etwas ersteigere, bin ich nämlich nicht. Aber immerhin fällt so auch keine eBay-Gebühr an. Das wäre ja nun auch wirklich dreist. Schließlich bin ich ja nicht eBay. Und durch meine 25 % Provision
spare ich bei jedem Spontankauf nicht nur Zeit und Arbeit mit Beschreiben, Einstellen und dem ganzen Drum und Dran, sondern auch ein Viertel des Einkaufspreises. Ich ahne schon, dass diese Kalkulation schwer nachvollziehbar ist, deshalb ein Beispiel:
Iris – eine meiner besten Kundinnen, eine sehr reich verheiratete Frau, Mitte vierzig – hat mir ein Diana-von-Fürstenberg-Kleid gebracht. Das sind diese sehr angesagten Wickelkleider, die neu um die vierhundert Euro kosten. Ein Preis, der bisher verhindert hat, dass so ein Wickelkleid und ich eine herrliche Beziehung eingehen konnten. Das Modell von Iris war noch dazu ein besonders schönes Modell. Dunkles Grün mit sattem Türkis, das klingt schräg, sieht aber umwerfend aus. Genau eine Woche zuvor hatte ich dieses Prachtexemplar bei einem Schaufensterbummel in Frankfurt gesehen und mich gewundert, wer so viel Geld für ein Kleid, das nicht mal ein Abendkleid ist, ausgibt. Die Antwort steht vor mir: Iris.
Iris trägt Größe 38 . Das ist ein wenig ärgerlich, denn ich bin mittlerweile eher eine Größe- 40 -Frau. Untenrum sogar eher eine 42 . Aber so ein Wickelkleid ist in dieser Hinsicht erstaunlich flexibel. Man kann es dann eben nicht ganz so eng wickeln. Als mir Iris das Kleid gebracht hat, war ich fassungslos.
»Das ist doch so gut wie neu, Iris. Und aus der aktuellen Kollektion. Warum behältst du es denn nicht? Da ist doch nichts dran«, habe ich gefragt.
Sie hat die Schultern gezuckt und gesagt: »Ich habe noch vier andere von denen. Ich brauche das hier nicht. Eigentlich mag ich auch das Grün nicht so.«
Da stellt sich doch die Frage, warum sie es gekauft hat, wenn sie das Grün gar nicht mag. Aber die Frage nach
dem Warum stellt sich bei Iris eigentlich andauernd. Bei den Mengen, die sie hier anschleppt, hat man manchmal das Gefühl, sie würde in ihrem Leben nichts anderes tun, als exzessiv einzukaufen. Ich muss zugeben, das klingt schon etwas sinnfrei und ziemlich dekadent, hat mich aber trotzdem neidisch gemacht. Shoppen ganz nach Lust und Laune. Wann immer man will und was immer man will. Iris ist schlauer, als man auf den ersten Blick denkt. Sie ahnte, was in meinem Kopf vorging.
»Das hat mir mein Mann, der Fritz, gekauft. Wenn der mitkommt beim Einkaufen, dann schlägt der immer voll zu. Der macht sich einfach gerne wichtig bei den Verkäuferinnen und liebt es, wenn die voller Neid und Bewunderung auf ihn gucken. ›Wir nehmen alle Fummel‹, ruft er gerne.«
Fritz ist der Mann von Iris. Er macht in Immobilien, so viel habe ich inzwischen rausgefunden. Scheint sich ja zu lohnen. Obwohl mir dieser Mann suspekt ist. Ganze Wagenladungen von Klamotten zu
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