Lieblingsstücke
Novo, Botswana – Gaborone, Burkina Faso – Ouagadougou (meine Lieblingshauptstadt – ein Vokalregen sondergleichen), Burundi – Bujumbura, Kamerun – Yaunde, Kapverdische Inseln – Praia, Komoren – Moroni, Kongo – Brazzaville, Demokratische Republik Kongo – Kinshasa, Elfenbeinküste – Yamoussoukro.
Bei Yamoussoukro (die Afrikaner scheinen die Kombi von o und u zu lieben) klingelt das Telefon. Birgit. Sie erspart sich jegliche Vorreden und jegliche Entschuldigungen. Wahrscheinlich hat sie noch nicht mal irgendein Unrechtsbewusstsein. Die kann sich ihre kleine Welt besser zurechtbiegen als Uri Geller in seinen guten Tagen die Gabeln.
»Andrea, Morgen, ist Papa bei dir?«
»Morgen, Birgit«, antworte ich, um zunächst Zeit zu gewinnen. Soll ich ihr die Wahrheit sagen? Dass er oben in Marks Hochbett liegt und einen kleinen Vormittagsschlaf hält? Hat sie nach ihrem Verhalten einen Anspruch auf detaillierte und wahrheitsgetreue Informationen? Eindeutig nein. Während ich noch hin- und hergerissen bin, redet sie schon weiter.
»Andrea, bist du eingeschlafen? Ich will wissen, ob Papa bei dir ist.«
Meine Güte, die hat einen Ton am Leib, damit könnte sie sofort in jeder Kaserne anfangen. Den sollte sie mal bei
Kurt, ihrem Ehemann, zum Einsatz bringen, aber da traut sie sich nicht.
»Nein, Birgit«, wage ich einen kleinen Scherz, »ich habe ihn mit seinem Trolley auf der Straße stehen lassen. Wahrscheinlich zieht er jetzt wie damals Maria und Josef durch die Straßen, um eine Herberge zu finden. Nur dass er nicht mal mehr seine Maria hat.«
Birgits Humorzentrum ist nur mäßig ausgeprägt.
»Ich habe deine Anspielung verstanden. Aber bei mir ging es nun wirklich nicht. Lass also deine blöden Witzchen und verhalte dich mal erwachsen. Er ist also bei dir?«
Ich möchte auflegen. Aber wenn ich auflege, bleibt mir zwar der kleine Triumph, es Birgit gezeigt zu haben, aber dafür erfahre ich natürlich auch nicht, was meine Mutter zu ihrer Verteidigung gesagt hat.
»Natürlich ist Papa hier. Wo soll er denn sonst sein? Viel mehr Kinder, bei denen er um Asyl bitten kann, hat er ja nicht. Und dass er wohl kaum in Stefans WG Unterschlupf sucht, dürfte dir ja wohl klar sein. Er war übrigens ziemlich traurig, dass du seine Aufnahme verweigert hast.«
Ein winziger verbaler Kinnhaken. Schließlich muss sie ja nicht wissen, dass unser Vater für seine abweisende ältere Tochter auch noch volles Verständnis hat.
»Gut«, befindet die große Schwester, »dann hol ihn mir mal ans Telefon.«
Ein Alphatier, wie sie eines ist, kommuniziert nun mal am liebsten mit anderen Alphatierchen. Und im normalen Leben, ohne krasse Demütigungen und Greenkeeper-Fred, ist mein Vater mindestens genauso ein Alphatierchen wie Birgit. Kein so offensichtliches allerdings. Mein
Vater hat eher eine Art stille Dominanz und lässt meine Mutter gerne in dem Glauben, dass sie bestimmt, wo es langgeht. In Wirklichkeit ist es aber genau umgekehrt. Meine Mutter redet, mein Vater bestimmt. Jedenfalls war das bisher so.
»Er kann nicht ans Telefon. Er schläft«, sage ich, so ruhig wie eben möglich, zu Birgit, »du musst also leider mit mir vorlieb nehmen.«
»Oh, da ist aber jemand richtig beleidigt«, bemerkt meine Schwester trocken, »nimm dich mal zusammen, hier geht es nämlich mal nicht um dich.«
Gut retourniert. Eine Situation wie beim Tennis. Man hat einen irrsinnig guten Aufschlag, freut sich noch über den Schlag und ist auf die Antwort, einen schnellen Schmetterball, nicht vorbereitet. Mal nicht um dich! Das ist dermaßen dreist, dass es mir fast die Sprache verschlägt. Es geht so gut wie nie um mich!
»Hast du mit Mama gesprochen?«, verlange zur Abwechslung mal ich ein paar Infos.
»Ja«, sagt Birgit nur.
»Geht es auch ein wenig genauer?«
»Sie konnte nicht frei reden, dieser Fred war da«, ist Birgits Antwort.
Meine Güte, man kann wirklich sagen, meine Mutter verschwendet keine Zeit. Kaum ist mein Vater zur Tür raus, ist schon der andere da. In unserem Elternhaus! Das ist doch echt reichlich abgebrüht. Schlafen die beiden jetzt etwa auch im Ehebettchen? Isst dieser Fred von Papas Tellerchen und trägt er vielleicht schon seinen Bademantel? Was werden die Nachbarn dazu sagen? Geht es nicht auch eine Nummer diskreter?
»Was ist denn mit der los?«, frage ich nochmal nach.
»Es muss irgendwas Hormonelles sein, anders kann ich mir das nicht erklären. Sie hat aber gesagt, heute Abend könnte sie mit mir
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