Lieblingsstücke
nur?«, schreit sie meine Mutter an. »Im Ehebett. Das ist ja geradezu ekelhaft.«
Meine Mutter sieht aus, als würde sie Birgit gerne eine scheuern. »Hör gefälligst zu. Nicht im Ehebett. Und weiter geht euch das auch gar nichts an. Es war nicht im Ehebett.«
Meine Mutter treibt es auf dem Fußboden oder auf der Couch. Das wird hier ja immer besser. Eine Frau, die oft
genug betont, dass ihre Bandscheibe wahnsinnig weh tut, sie kaum mehr Golf spielen kann, vergnügt sich auf dem Fußboden. Das hätte ich in meinen wildesten Phantasien nicht für möglich gehalten.
»Wenn ihr es unbedingt wissen müsst – es war in Birgits Kinderzimmer.«
Birgit guckt, als müsste sie sich gleich übergeben.
»Ihr hattet Sex in meinem Bett?«, zickt sie meine Mutter an.
»Ja«, sagt die nur. »Genau da.«
Ich bin ein bisschen beruhigt. Immer noch besser als im Ehebett. Oder in meinem Kinderzimmer. Dass sie auf ein ehemaliges Kinderbett ausweicht, zeigt zumindest einen Hauch von Anstand. Birgit ist da offensichtlich anderer Meinung.
»Ich habe genug gehört«, sagt sie mit Grabesstimme. »Ich gehe. In meinem Bett. Wie eklig.«
Dass sie in diesem Bett schon seit Jahrzehnten nicht mehr schläft und es mittlerweile das Gästebett des Hauses ist, hat sie wohl vergessen.
»Komm, Andrea, lass uns gehen«, fordert sie mich auf.
Ich denke nicht daran. Gerade jetzt, wo es spannend wird. Außerdem ist sie früher gekommen, da kann sie von mir aus auch früher gehen. Ich bin von der Geschichte auch nicht irrsinnig begeistert, aber meine Schwester tut ja so, als hätte unsere Mutter den Verstand verloren.
»Ich bleibe noch«, sage ich freundlich.
»Ganz wie du meinst«, knurrt Birgit und geht. Ohne sich von meiner Mutter zu verabschieden.
Das ist wirklich ganz großes Theater hier. Da kann ja keine Fernsehsendung mithalten.
»Mama, Mama«, sitze ich kopfschüttelnd im elterlichen
Wohnzimmer. Hätte mir jemand, noch bis gestern, solch ein Szenario geschildert, ich hätte Haus und Kinder darauf verwettet, dass meiner Mutter so etwas niemals passieren würde. Sie hat etwas Grundsolides. Dachte ich bisher jedenfalls. Im Leben ist wirklich auf nichts Verlass. Jetzt heißt es Ursachenforschung betreiben.
»Aber warum, Mama, warum das alles?«
»Gelegenheit, Andrea. Es war einfach die Möglichkeit, und da habe ich zugegriffen. Es ist nicht so, dass eine Frau in meinem Alter ständig Offerten bekommt. Und da war Fred und er wollte und dann ist es passiert.« Kein Wort von Liebe oder zumindest von verliebt sein. Ist das jetzt besser oder schlechter? Ich bin unschlüssig. Verzeihlicher ist sicherlich ein Seitensprung aus Liebe, aber in der Folge natürlich auch wesentlich problematischer.
»Bist du in ihn verliebt? Hattest du was getrunken?«, will ich wissen.
»Aber nein«, zeigt sich meine Mutter fast schon entrüstet. »Es ist einfach so – ich hatte nie Sex mit jemand anderem. Nur mit deinem Vater. Und da war die Möglichkeit. Ich wollte immer schon auf jeden Fall wissen, wie es mit einem anderen ist, bevor ich sterbe.«
Sie hatte die Möglichkeit! Was für ein Argument! Ich hatte auch schon die Möglichkeit, ein Tier zu überfahren oder ein Kind zu foltern, aber habe ich es gemacht? Natürlich nicht. Während mir genau das durch den Kopf schwirrt, redet Mama weiter:
»Außerdem, Andrea, du weißt, ich trinke selten Alkohol.«
Eben deshalb habe ich nachgefragt. Meine Mutter ist in der Hinsicht billig. Zwei Gläschen Sekt, und sie hat ordentlich einen sitzen. Selbst nach einer Weißweinschorle
ist sie schon recht beschwingt. Da hätten wir doch eine feine Entschuldigung. Vollrausch. Nicht haftbar sozusagen.
»Aber Mama«, wage ich doch mal aufzumucken, »man kann doch nicht einfach rumvö … «, ich schaffe es gerade noch, mir das Wort vögeln zu verkneifen, »also ich meine rumschnackseln, nur weil die Möglichkeit da ist.«
»Tu nicht so prüde«, wird sie jetzt auch ein wenig lauter. »Ihr hattet ja genug Kerle vor der Ehe. Und was jetzt ist, will ich gar nicht wissen. Ich bin aus einer Generation, da hat man den Ersten geheiratet. Da ist man nicht durch viele Betten gehüpft. Ich hatte nie Vergleichsmöglichkeiten. Ich liebe euren Vater, aber ich wollte mal sehen, ob ich was verpasst habe.«
Wäre das nicht auch etwas diskreter gegangen? Musste mein Vater das unbedingt mitkriegen?
»Und wie war’s? Hast du was verpasst?«, will ich wissen.
»Keine Details«, sagt sie nun ein wenig strenger. »Irgendwo muss Schluss
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