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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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ich kann die ja nicht einfach so ins Wasser tunken«, beschwert sich mein Vater jetzt auch noch.
    »Gleich, Papa. Ich mache schnell ein paar Brote und das Frühstück für die Kinder. Wir zwei haben dann ja genug Zeit, um in aller Ruhe zu frühstücken.«
    Ich sage nicht, dass ich finde, dass er zwei gesunde Hände hat und sich seine verdammte Knolle auch selbst raspeln könnte.
    Die Kinder schlingen jeder ein Schälchen Müsli runter, packen ihre Brote ein, und ich unterschreibe noch eben Claudias Vier. Die guten Arbeiten darf immer Christoph unterschreiben. Auch merkwürdig.
    Als die Kinder aus dem Haus sind, atmet mein Vater auf.
    »Ich will dir ja nicht reinreden, Andrea«, beginnt er, und ich ahne, dass nichts Gutes folgen wird.
    »Dann lass es doch einfach«, reagiere ich nicht besonders freundlich, aber ich will mir meinen Lieblingsmoment des Tages, den Moment, in dem ich in aller Ruhe Kaffee trinke und mich auf den Rest des Tages einstimme, nicht versauen lassen. Am liebsten würde ich mich auf den Balkon verdrücken und heimlich eine rauchen. Das muss ich dazusagen – ich rauche nicht. Also eigentlich nicht. Offiziell jedenfalls nicht. Nur manchmal. Wenn es keiner sieht oder
ich was getrunken habe und jegliche Hemmungen verliere. Natürlich rauche ich auch nicht im Haus, ich habe sogar selten Zigaretten da. Jetzt allerdings wäre mir nach einer. Aber vor meinem Vater? Das traue ich mich nicht. Der würde es garantiert sofort meiner Mutter petzen, obwohl er ja eigentlich nicht mehr mit ihr redet, und auf den dann folgenden Vortrag zum Thema Gesundheit, fahle Haut und Falten, so tief wie Krater, kann ich gut verzichten.
    »Mein Wasser ist kalt«, nölt er.
    Ich mache frisches heißes Wasser, rasple ihm ein wenig von dem vertrockneten Ingwer, der schon kleine Wurzeln ausgebildet hat, in die Tasse rein und nehme seine Frühstücksbestellung entgegen.
    »Wir frühstücken Joghurt mit frischem Obst, ein paar Haferflocken und Nüsse.«
    Ich habe mich oft gefragt, was meine Mutter den ganzen Tag so treibt, außer Golf zu spielen. So langsam ahne ich es. Es ist sein erster Morgen hier, er ist verwirrt und betrübt, deshalb bekommt er auch annähernd das, was er verlangt. Immerhin – er isst, was ich zusammengemanscht habe. Auch wenn der Joghurt die falsche Sorte ist und normalerweise auch frische Ananas reingehört.
    »Wir mögen lieber den mit eins Komma fünf Prozent Fett«, teilt er mir mit. Mein Vater redet verdammt oft im Plural.
    »Ich werde beim nächsten Einkauf daran denken«, spiele ich die brave Tochter.
    Dieses Im-Plural-Reden machen auch Mütter oft. »Wir haben eine Drei in Deutsch« oder »Wir stehen mündlich in Geschichte Zwei.« Ich finde das, gelinde gesagt, seltsam. Sich mit seinen Kindern zu solidarisieren ist sicherlich lobenswert, aber das erscheint mir doch zu übertrieben.
Und es ist auch inhaltlich falsch. Einmal habe ich versucht, ein kleines Witzchen zum Thema zu machen und meiner Nachbarin Tamara, eine Expertin im Wir-Form-Reden, gesagt, sie solle sich halt mehr melden, um mündlich besser dazustehen. Nur so viel: Sie hat nicht gelacht.
    »So, ich mache mich jetzt fertig, und dann gehe ich ins Internet«, teilt mir mein Vater netterweise seine Pläne mit.
    »Wie geht es dir denn heute?«, möchte ich noch wissen. »Besser?«, frage ich hoffnungsvoll.
    »Wie soll es mir besser gehen?«, fragt er zurück. »Meine Frau betrügt mich und hat mich sitzengelassen. Was glaubst du, Andrea, wie es mir da geht?«
    Ich hatte mir mehr versprochen. Das klingt nicht nach baldiger Versöhnung.
    »Willst du sie nicht mal anrufen und mit ihr reden?«, wage ich eine kleine Nachfrage.
    »Der Ungeduldige fährt sein Heu nass ein«, bemüht er mal wieder Wilhelm Busch.
    Das soll wohl heißen, dass er noch abwartet.
    Ich verziehe mich, um mein Abendkleid anzuprobieren. Als ich nach oben gehe, höre ich noch, wie er ein weiteres Wilhelm-Busch-Zitat vor sich hinsagt: »Enthaltsamkeit ist das Vergnügen an Sachen, welche wir nicht kriegen.«
    Danke für das schöne und gute Frühstück klingt anders.
     
    Das Abendkleid geht sogar. Es ist um den Rücken herum, wie erwartet, ein bisschen eng, aber der Reißverschluss wirkt stabil und ich denke: »Was soll’s, sind ja nur die langweiligen Juristen.« Als ich mich im Spiegel betrachte,
sehe ich es dann aber. Ein riesiger Fleck, vorne unter der linken Brust. Ich erinnere mich. Es war Rotwein. Und ich dachte damals, dass ich es später in die Reinigung geben

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