Lieblingsstücke
ohne die Empfehlung von Iris, da hätten Sie im Leben nicht so schnell einen Termin bekommen«, empfängt sie mich nicht direkt herzlich.
»Ja, vielen Dank, es handelt sich um eine Art Notfall«, zeige ich so was wie Dankbarkeit.
Immerhin bezahle ich für diese Behandlung, da muss man ja nicht auch noch Geschenke mitbringen. Yvonne sieht genau so aus, wie ich sie mir vorgestellt habe. Eigentlich ganz ähnlich wie Iris. Nur jünger, dünner und eine
Spur dunkler gebräunt. Wo werden all diese Frauen heimlich geklont? Sie hält sich nicht mit irgendwelchem Geplänkel auf.
»Dann wollen wir mal«, sagt sie und zeigt auf eine Umkleide. »Ziehen Sie alles aus, auch Ringe und so, und setzen Sie sich dieses Häubchen auf.«
Fehlt nur noch ein rückenfreier Kittel. Ich sehe aus, als wollte man mich in den OP schieben. Leichte Panik überkommt mich. Nicht nur, weil ich mich so nackt ein wenig unwohl fühle, vor allem vor Frauen wie Yvonne, sondern auch, weil ich nicht mehr sicher bin, ob diese Bräunungsduschidee wirklich so gut ist.
»Also«, beginne ich, noch aus meiner Umkleidekabine heraus, meine Zweifel zu artikulieren, »also Yvonne, ich bin nicht sicher, ob das gut aussieht, also ob das Ergebnis … «
Da unterbricht sie mich schon. Sie öffnet die Kabinentür, schaut mich von oben bis unten an, und man ahnt, was sie sagen möchte. Wahrscheinlich etwas in der Art wie: »Schlimmer kann es ja nicht werden.« Nach dem Motto: Von hier aus geht’s nur noch aufwärts.
»Wir haben nicht viel Zeit. Halten Sie die Arme hoch, und wenn die Dusche vorbei ist, cremen Sie die Reste gut ein. Und dann Hände gründlich waschen.«
Ich merke, für Gegenwehr ist es eindeutig zu spät. Mitgegangen, mitgefangen. Jetzt hier zu sagen: »Äh nein danke. Ich habe es mir anders überlegt«, wäre rein theoretisch vielleicht möglich, aber beim Blick in Yvonnes Gesicht bleibt es auch bei der Theorie. Sie hat trotz ihrer augenscheinlichen Jugend etwas sehr Strenges an sich. Ich ergebe mich. Jegliches Aufbegehren wäre sowieso zwecklos. Außerdem muss man sich im Leben mal was trauen. Und
wenn es der Gang unter eine Bräunungsdusche ist. Sie schiebt mich in eine weitere Kabine und ruft noch:
»Nicht vergessen, Hände hoch!«
Gut, dass ich nicht unter Platzangst leide. Für Klaustrophobiker ist ein Bräunungsduschenbesuch sicherlich denkbar ungeeignet, außer bei der Konfrontationstherapie. Auf einmal ertönt ein ziemlicher Krach, und ich komme mir vor wie bei einem leichten Sprühregen. Innerhalb weniger Minuten ist das Spektakel vorbei, und ich verreibe wie angeordnet die Reste. Yvonne befreit mich aus meiner Duschkabine und grinst mich an.
»Jetzt noch Nägel schrubben und Hände waschen und die nächsten vierundzwanzig Stunden nicht duschen.«
Nicht duschen? Ich gehe heute Abend auf einen Ball, soll ich da etwa ungeduscht hin? Braun, aber müffelnd? Eigentlich gehört Duschen zu meinem Standardausgehritual. Na ja, was soll’s – wasche ich mir eben nur die Haare. Habe ja heute Morgen schon geduscht. Man soll es ja sowieso nicht übertreiben. Tut der Haut angeblich gar nicht gut. Während ich mir brav die Hände wasche und die Fingernägel schrubbe, wage ich einen ersten Blick in den Spiegel. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Ich bin zwar eindeutig brauner als vorher, aber ob man das in meinem Gesicht tatsächlich als Braun bezeichnen kann, weiß ich wirklich nicht. Bunt trifft es wohl eher. Ich finde, es sieht ein bisschen so aus, als hätte ich monatelang Karottensaft getrunken. So wie diese Babys mit der Neugeborenengelbsucht. Vielleicht liegt es aber auch am ungünstigen Licht hier im Waschraum. Vielleicht sieht das Orange bei Tageslicht braun aus. Man soll ja positiv denken. Ich versuche, immerhin pragmatisch zu sein. Ändern kann ich das Ganze jetzt sowieso nicht mehr.
»Sollte es Farbunterschiede geben, können Sie die mit einem Peeling locker ausgleichen. Hätten Sie eigentlich schon vorher machen müssen«, informiert mich Yvonne noch. Komisch, bevor ich diese Dusche betreten habe, hat sie kein Wort von Farbunterschieden gesagt. Auch das Wort Peeling fiel nicht. Sie knöpft mir siebenundvierzig Euro ab und sagt mir noch, dass ich bitte rechtzeitig einen Termin fürs nächste Mal machen soll.
»Immer kann ich Sie nicht so spontan einschieben!«, gibt sie mir einen erneuten Hinweis auf ihre Großherzigkeit und scheint dabei aber kein bisschen daran zu zweifeln, dass ich wiederkomme. Sie fragt auch nicht, ob ich
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