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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Irrtum.
    »Wie war’s?«, fragt mein Bruder, aber es klingt nicht wirklich interessiert.
    »Es tut ihr leid«, sage ich. »Wirklich leid. Das soll ich dir sagen, Papa.«
    Mein Vater scheint nicht besonders gerührt.
    »Das hätte sie sich mal vorher überlegen sollen«, sagt er und schiebt sich eine Handvoll Paprika-Chips in den Mund. Wo sind die denn her?
    Dieses Haus ist eigentlich eine chipsfreie Zone. Schon aus Selbstschutz. Ich liebe Chips. Wenn ich weiß, es sind welche im Haus, kann ich nicht widerstehen. Also kaufe ich keine. Was man nicht hat, kann man nicht essen. So einfach ist das eigentlich. Auch bei meiner Mutter gibt es selbstverständlich keine Chips. Sie hält meinen Vater in
dieser Hinsicht recht knapp. Wegen seines Cholesterins. Gesunde Ernährung ist ihr wichtig. Ihm anscheinend weniger. Er lümmelt tatsächlich Chips mampfend und Bier trinkend auf der Couch. Scheint sein Leben ohne die Chefin zu genießen.
    »Andrea, lass ihn doch einfach in Ruhe«, unterbricht mich mein Mann, als ich nochmal davon anfange, dass meiner Mutter alles so leid tut.
    »So etwas braucht Zeit, und das Spiel ist gerade echt spannend«, fügt Christoph noch hinzu.
    Ich hatte mir etwas mehr Unterstützung von den Männern erwartet. Auch was die Kinderbetreuung angeht.
    Ich scheuche die Kinder ins Bett und bin froh, dass das doofe Fußballspiel zu Ende ist, als ich wieder runterkomme. Bei den Kindern erstaunlicherweise kein Gemecker über das gemeinsame Schlafzimmer. Ich habe auch nicht mehr nachgefragt.
    Schade, die Chips sind aufgegessen. So eine Handvoll hätte mir jetzt doch Spaß gemacht. Aber – wer isst schon eine Handvoll Chips?
    »Schatz, du weißt, morgen ist der Juristenball?«, erinnert mich mein Mann an ein von mir bisher erfolgreich verdrängtes Thema.
    Wir waren erst einmal auf diesem Ball – vor zwei Jahren – und ich habe das Grauen in bester Erinnerung. Langweiliges Gerede, versteckte Angeberei und Präsentation der Ehegattinnen. Wer hat das schönste und jüngste Beutestück am Arm? Erschwerend kommt hinzu, dass ich nicht gerne tanze. Ich kann es nicht und deshalb mag ich auch nicht.
    »Claudia hat eine Vier in Mathe geschrieben«, wechsle ich schnell das Thema.
    »Hast du nicht mit deiner Tochter gelernt?«, fragt mein Mann da glatt zurück.
    Das ist ja mal wieder eine typische Bemerkung. Für diesen kleinen, einfach blöd dahergesagten Satz könnte ich meinem Mann eine kleben. Hast DU nicht mit DEINER Tochter gelernt?
    »Hallo! Ich habe keine Vier geschrieben. Das war unsere Tochter«, ich betone ›unsere‹ ganz deutlich, »Claudia. Und ich habe mit ihr gelernt. Soweit das ging«, antworte ich und unterdrücke einen kurzen Gewaltimpuls.
    Mein Vater mischt sich ein.
    »Ich kann mit ihr üben, wenn ihr wollt. Gar kein Problem.«
    Wie lieb. Babysitter, Büroaushilfe und Nachhilfe in einer Person. Ich glaube, er kann gerne noch eine Weile bei uns bleiben. Das entwickelt sich doch erfreulicher als gedacht. Natürlich könnte ich jetzt, um die Aufenthaltsdauer sicher zu verlängern, erzählen, dass meine Mutter heute Abend noch eine geheimnisvolle Verabredung hat. Aber so ein Schwein bin ich dann doch nicht.
    »Franz, wenn wir morgen auf den Ball müssen, kannst du da nach den Kindern sehen?«, fragt mein Mann noch, nutzt somit die Gunst der Stunde und macht meine Lieblingsausrede damit zunichte: »Ich kann nicht mit, wir haben keinen Babysitter.«
    Mein Vater nickt. »Klar, kein Problem.«
    Mist, jetzt habe ich eins. Ein Ball ist eine Herausforderung. Schließlich bin ich selten auf einem Ball, bin nicht prominent und habe deshalb auch nicht, wie die Schicki-Micki-Lieseln aus den Boulevardblättchen, diverse Designer, die mich bitten und betteln, ihre Kreationen zu tragen. Genauer gesagt, habe ich nur ein einziges Abendkleid,
nämlich das, was ich schon vor zwei Jahren auf dem Ball anhatte. Nichts Besonderes. Mittelblau, V-Ausschnitt, lang, unten weiter als oben und vor allem auch ein ganz klein wenig eng. Um den Busen rum. Nicht, dass ich denke, mir wäre mehr Brust gewachsen, was ja an sich durchaus fein wäre, es geht eher um so kleine Polster am Rücken. Auch meine Oberarme sind nicht in Abendkleidform. Blöderweise haben 99 % aller Abendkleider keine Ärmel, die meisten Frauen jedoch Arme, die gut ein Stückchen Ärmel vertragen könnten. Eine Marktlücke, die dringend auf meine Liste muss! Beim letzten Mal habe ich so eine Art Schal, ein flatteriges Etwas, umgelegt. Eine ganz gute Tarnung, aber

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