Lieblingsstücke
den Sabine damals, bei meiner ersten Entbindung, im Krankenhaus kennengelernt hat. Trotz meiner eindringlichen Warnungen hat sie sich mit ihm eingelassen. Nur so viel: Erst hat sie in langwieriger Arbeit Assistenzarzt Mett-Mischi optisch aufpoliert, und kaum war das Ergebnis halbwegs vorzeigbar und Mischi kein Assistenzarzt mehr, hat ihn sich eine junge Krankenschwester unter den Nagel gerissen. So geht es Sabine meistens. Sie macht die groben Arbeiten, und wenn das Projekt abgeschlossen ist, ist es auch mit der Beziehung vorbei. Wie bei der Raupe und dem Schmetterling. Kaum ist das Raupenstadium beendet, flattert der männliche Schmetterling auf und davon. Sabine versucht tapfer, das Ganze sportlich zu nehmen und sieht sich als Wegbereiterin, nach dem Motto: Immerhin haben andere dann weniger Arbeit. Das ist sehr uneigennützig und großmütig, aber auf lange Sicht doch verdammt ärgerlich. Ich meine, bei einem Mann wie Mett-Mischi kann sie, insgesamt gesehen, sehr froh sein. Egal, wie man den optisch rausputzt, im Kern bleibt er immer der alte Mett-Mischi. Ganz gleich, wie sehr man jemanden aufpoliert, letztlich bleibt das Innenleben gleich. Und Mett-Mischi bleibt ein angeberischer Schaumschläger,
der niemanden je so lieben wird wie seine Mami. Ein Tatbestand, den ich nur bei meinem Sohn akzeptieren könnte. Ich gebe zu, auch in der Zeit, in der Sabine mit Mett-Mischi liiert war, habe ich meine Vorbehalte gegen ihn nicht wegdrücken können und war, trotz allem Mitgefühl für Sabine bei der Trennung, ziemlich froh, dass die Beziehung gescheitert ist. Ähnlich lief es mit Helmuth, einem Kerl, den Sabine durch mich unter sehr merkwürdigen Umständen getroffen hat. Unseren ersten gemeinsamen Ausflug haben wir in einen Swingerclub gemacht. Keine Details, nur so viel – es war ein absolutes Versehen, hat aber Helmuth und Sabine zusammengebracht. Geeint im Entsetzen. Immerhin ein halbes Jahr hat sie sich mit ihm abgemüht. Helmuth ist einer der verklemmtesten Kerle, den ich je gesehen habe. Ich rede nicht von prüde, sondern von einer sehr seltsamen Verklemmtheit. Er ist nicht in Gegenwart von anderen verklemmt, sondern eher bei sich selbst. Das klingt jetzt absonderlich, ist es auch. Helmuth ist ein sehr schüchterner Mensch, was an sich ja nichts Schlechtes ist. Besonders bei Männern. Besser schüchtern als großmäulig. Aber Helmuth hatte so gar kein Zutrauen in sich selbst. War schrecklich unsicher. Konnte das Zusammensein mit Sabine gar nicht richtig genießen. Hat ständig gefragt, was sie eigentlich mit ihm will. Warum sie mit einem Mann wie ihm zusammen ist. Eine Frau wie sie. Statt sein Glück zu feiern und einfach zu leben, hat er diese Verbindung ständig auf die Probe gestellt. Diskutiert und hinterfragt. Bis Sabine das irgendwann richtig auf den Keks gegangen ist. Zu viel Selbstvertrauen ist sicherlich anstrengend, zuwenig ist jedoch fatal. Dann hat auch noch er sie verlassen – mit der absonderlichen Begründung, dass sie es ja sowieso dauerhaft nicht bei ihm aushalten wird. Eine
Form von vorauseilendem Aufgeben. »Lieber sehe ich es jetzt ein, als später davon erwischt zu werden«, hat er in einem der letzten Gespräche zu Sabine gesagt. »Da kann man nichts machen. Der braucht wohl eher professionelle Hilfe. Zuneigung allein reicht da nicht«, hat Sabine zu mir gesagt und die Sache sofort abgehakt. Für diese Haltung bewundere ich Sabine oft. Sie hat eine gewisse Lakonik.
Lakonik – dieser Ausdruck kommt von den Spartanern. Angeblich war das so: Als Philipp II . sich mit seinem Heer näherte, sandte er, der Legende nach, folgende Drohung nach Sparta voraus: »Wenn ich euch besiegt habe, werden eure Häuser brennen, eure Städte in Flammen stehen und eure Frauen zu Witwen werden.« Darauf die Spartaner: »Wenn!«
So knapp, also lakonisch, kann auch Sabine sein. Warum etwas ausführlich kommentieren, wenn es doch sinnlos ist?
»Keine Ahnung, wie der aussieht«, beantwortet Sabine endlich meine Frage. »Das werde ich ja sehen, wenn ich ihn am Sonntag treffe. Wenn er so spricht, wie er schreibt, kann er von mir aus aussehen wie Quasimodo. Du weißt doch, Andrea – wie hat schon Bernard Shaw gesagt: ›Schönheit wirkt auf den ersten Blick angenehm, aber wem fällt sie auf, wenn sie drei Tage im Haus ist?‹«
Was für ein überaus kluger Satz. Klingt vernünftig. Ich erzähle ihr schnell von gestern Abend und meinem wunderbaren Afrika-Triumphzug. Sie ist beeindruckt.
»Hätte nicht gedacht, dass
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