Lieblingsstücke
du mit dem Kram mal punkten kannst«, lobt sie mich.
»Drück mir die Daumen, ich rufe dich Sonntag an, oder noch besser, ich komme vorbei nach dem Date und erzähl dir, wie es gelaufen ist. Wir treffen uns zum Spazierengehen.
Da sieht man doch gleich, was das für ein romantischer Typ ist.«
Ich stimme zu, sage ihr, dass ich mich auf sie freue, schon weil Christoph nicht da ist und ich ja deshalb mit den Kindern daheim rumhänge. Insgeheim denke ich allerdings, dass sich der Typ nur um die Bezahlung eines Essens drücken will.
»Du fährst nicht mit? Nach New York?«, ruft sie entgeistert in ihr Handy, so laut, dass mir meins fast vom Ohr fällt. »Der rennt seinen ersten Marathon und du bist nicht dabei? Das lässt du dir entgehen?«
»Ja!«, sage ich und bin selbst erstaunt, dass ich die Möglichkeit mitzufliegen gar nicht in Erwägung gezogen habe.
»Wir sehen uns Sonntag. Bei mir klopft jemand an«, würgt sie mich ab, und ich erledige meinen Großeinkauf.
Auf dem Heimweg grübele ich darüber nach, was schlauer wäre. Annabelle anzurufen und abzusagen oder einfach abzuwarten, ob sie sich meldet und dann so tun, als hätte ich das Rebirthing komplett vergessen. Ich wähle die feige Variante. Abwarten. Habe mit meinem dicken Kopf keine Lust auf morgendliche Diskussionen.
Als ich zu Hause ankomme, steht schon das Auto von Iris vor der Tür. So oft, wie die da ist, könnte sie direkt bei uns einziehen. Wenn mein Vater ein klein bisschen rückt, kann sie mit ins Hochbett. Langsam mache ich mir wirklich Gedanken. Die beiden sitzen im Keller. Vor dem Computer.
»Was treibt ihr denn hier?«, frage ich die zwei.
Wie verschreckte Kaninchen schieben sie mit der Maus den kleinen Pfeil auf dem Bildschirm hin und her.
»Ihr habt doch hoffentlich nicht meine Anfragen bearbeitet?«, hake ich nach.
»Nein, das war mehr so ein kleines Trainingsprogramm«, beantwortet Iris meine Frage und fährt mit einem schnellen Tastendruck den PC runter.
»Wie war’s gestern? Erzähl! Hattest du Erfolg? Hat alles gehalten?«
»Komm mal mit, dann zeige ich dir, wie gut alles gehalten hat«, locke ich wenigstens schon mal Iris aus dem Keller und gewähre ihr einen Blick in meinen Pullover.
»Ich krieg die Klebestreifen nicht mehr ab. Auf der einen Seite habe ich die Brust fast unterm Kinn und auf der anderen ist alles wieder so, wie es war.«
»Zieh mal den Pulli hoch«, fordert sie mich auf, und mit einem beherzten Ratsch löst sie den ersten Streifen.
»Sollte ich im Brustbereich je irgendwelche Haare gehabt haben, was unerfreulich gewesen wäre – das Problem hätte sich jetzt mit Sicherheit erledigt. Brustenthaarung mit Wachs muss sich ähnlich anfühlen. Bevor ich groß losjammern kann, packt sie den zweiten Streifen und zieht ihn ab. Meine Haut sieht aus wie nach einer Schmirgelaktion mit grobem Schleifpapier. Gerötet und leicht pustelig.
»Macht nichts, das verschwindet wieder. Bisschen Creme drauf und gut ist«, tröstet mich Iris.
»Und wie war es so, gestern mit meinem Papa?«, stelle ich kleine Nachforschungen an.
»Wir hatten einen herrlichen Abend«, freut sie sich. »So gelacht habe ich lange nicht mehr. Dein Vater ist dermaßen gebildet und lustig.«
Mein Vater ist mit Sicherheit ein ziemlich gebildeter Mann, aber im Vergleich zu ihrem Fritz ist das auch nicht weiter schwierig. Bei dem ist es fast erstaunlich, dass er
aufrecht gehen kann. Fritz ist so einer, der zwar gerne auf den Putz haut und von seinen wahnsinnig erfolgreichen Geschäften erzählt, gleichzeitig aber völlig ungeniert durch Nichtwissen glänzt. Nichts zu wissen oder Dinge nicht zu wissen, von denen man insgeheim denkt, sie gehörten zur Allgemeinbildung, kommt vor. Bei den meisten Menschen. Wer hat heutzutage schon eine fundierte Allgemeinbildung? Kaum jemand. Aber den meisten Menschen ist das wenigstens peinlich. Mir zum Beispiel. Ich habe grauenvolle Lücken, tiefer als der Grand Canyon. Neulich erst habe ich mühevoll versucht, die deutschen Bundespräsidenten zusammenzukriegen. Fritz hingegen kokettiert geradezu mit seinem Unwissen: »Schiller, Goethe oder wie diese Leute heißen. Was interessieren die mich«, hat er mal an einem gemeinsamen Abend gesagt. »Ich kenn den Uwe Ochsenknecht, das ist doch viel mehr wert.« Ich habe persönlich nichts gegen Uwe Ochsenknecht, aber ihn in einem Atemzug mit Schiller zu nennen, ist ja wohl grotesk. Auch von Politik hat der Fritz keinen großen Schimmer. »Ist doch schnuppe, wer wo Minister
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