Lieblingsstücke
ist. Eh alles ein Pack. Die wollen sowieso nur mein Geld. Vor allem diese Ossis.« Was sollte man auch sonst von Fritz wollen? Viel mehr als Geld hat er bei genauer Betrachtung auch nicht zu bieten. Deswegen erstaunt mich die nächste Bemerkung von Iris auch kaum.
»Wenn dein Papa solo wäre, könnte ich für nichts garantieren«, kichert sie.
»Ist er aber nicht, Iris«, kläre ich schnell die Besitzverhältnisse. »Schon gut«, beruhigt sie mich, »der hat den halben Abend von deiner Mutter geschwärmt, ich hätte eh keine Chance.«
So sicher bin ich mir da nicht. Aber dass sie das so sieht,
finde ich doch erfreulich. Ich mag Iris, aber als neue Stiefmama kann ich sie mir nur schwer vorstellen.
»Du, Andrea, eigentlich bin ich aber nicht hier, um von deinem Vater zu schwärmen, sondern wegen des Kleides. Ist es da?«, fragt sie.
Das verdammte Wickelkleid. Habe ich doch glatt vergessen. Jetzt schnell schalten, Andrea. »Ach, Iris, da habe ich wunderbare Nachrichten, es ist heute Morgen mit Express gekommen. Ganz früh. Hätte ich selbst nicht gedacht. Und es sieht prima aus. Also alles bestens.« Das war verdammt knapp. Gerade noch die Kurve gekriegt. Aber so ist das eben mit dem Lügen. Einmal angefangen, kommt man aus der Nummer nur schwer wieder raus. Wenn ich jetzt gestehe, gestehe ich nicht eine Lüge, sondern eine Lüge mit einem Rattenschwanz von kleinen Lügen. Dass es ziemlich ungewöhnlich ist, dass am frühen Morgen ein Päckchen gebracht wird, jedenfalls hier in der Gegend, weiß sie zum Glück nicht. Iris schluckt alles. Keine Zweifel, dafür pure Begeisterung. An sich ja auch angebracht. Letztlich zählt hier das Ergebnis und nicht der Weg. Sie strahlt so sehr, dass ich fast selbst stolz darauf bin, dass das Kleid wieder da ist. Obwohl es ja nie weg war.
»Her damit, meine Retterin«, freut sie sich.
»Bleib doch hier unten, ich hole es. Ich habe es nach oben getragen«, sage ich und schicke sie in die Küche. »Mach uns doch einen Kaffee, während ich es runterhole.« Geschafft, denke ich und eile die Treppe hoch. Unten klingelt das Telefon.
»Kannst du mal rangehen?«, rufe ich Iris zu. »Mach ich«, antwortet sie, und ich habe ein bisschen Zeit gewonnen, um mir das Wickelkleid zu schnappen.
Als ich mit dem begehrten Kleid wieder ins Wohnzimmer
komme, legt Iris gerade auf. »Geht klar, Annabelle«, höre ich nur noch. »Das ist doch gar kein Problem. Gerne.«
»Das war die Annabelle. Wegen eures Termins. Sie holt dich heute Mittag ab. In zwei Stunden. Ich habe ihr gesagt, dass ich auf die Kinder aufpasse. Erst war sie ein bisschen schnippisch, aber als sie das gehört hat, ist sie richtig nett geworden«, informiert mich Iris.
Perfektes Timing. Hätte ich bloß heute Morgen bei Annabelle angerufen und abgesagt. Jetzt wird es ungleich schwieriger. Das Babysitterargument fällt damit auch weg. Dann muss eben die Tour zum Flughafen als Ausrede dienen.
»Hör mal«, sage ich ein wenig ungehalten zu Iris, die ja eigentlich überhaupt nichts für meine doofe Lage kann, sondern im Gegenteil mir sogar behilflich sein wollte, »das war jetzt leider ein bisschen blöd. Also du konntest es nicht wissen, aber ich will auf keinen Fall mit Annabelle zu diesem Seminar.«
Sie ist sofort reumütig. »Tut mir leid, ich wollte nett sein, und vor allem ist die Annabelle ja sonst so zickig, und als ich gesagt habe, ich passe auf, war die direkt mal freundlicher, und also ich dachte, na ja, eigentlich dachte ich, du freust dich.«
»Nee«, antworte ich, kann ihr aber nicht wirklich böse sein, denn eigentlich bin ich mit meinen dauernden Ausreden ja die blöde Kuh.
»Soll ich sie nochmal anrufen und sagen, dass ich doch nicht kann und du mit den Kindern allein da stehst?«, bietet sie mir jetzt sogar noch an. Ich lehne dankend ab. Annabelle kann Iris sowieso nicht ausstehen, da fehlt der Anruf gerade noch. Das wäre ja so, als würde man ein keimendes Pflänzchen einfach rausreißen. Meinen Kindern
würde ich deutlich sagen: »Was ihr selbst verbockt habt, müsst ihr auch selbst wieder geradebiegen.« Also greife ich beherzt zum Hörer und wähle Annabelles Nummer. Es meldet sich der Anrufbeantworter. Umso besser. Das erspart mir die direkte verbale Konfrontation.
»Annabelle, ich bin’s, Andrea. Du, das klappt heute leider nicht. Ich muss den Christoph zum Flughafen fahren. Wegen seines Marathons. Du weißt. Habe ich dir doch erzählt. Ich wünsche dir aber viel Spaß. Wenn es super war, kann ich ja das
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