Lieblingsstücke
immer, die Holländer würden viele Drogen nehmen? Braucht er deshalb Geld?
»Du bist so gesund!«, sagt er zu mir.
Was soll denn diese Bemerkung? Wollen die beiden vielleicht was ganz anderes als meine Tasche? Meine Nieren?
»I have bad kidneys, very bad kidneys!«, sage ich absichtlich auf Englisch, damit mich beide verstehen, und bin verdammt froh, dass mir das Wort für Niere eingefallen ist. Obwohl, heißen nicht diese kleinen Bohnen kidneys? Habe ich jetzt etwa gesagt, ich hätte schlechte Bohnen? Jetzt fange ich an zu spinnen. Ich habe Wahnvorstellungen. Wahrscheinlich habe ich einfach zuwenig geschlafen und bin deshalb leicht hysterisch. Ich muss mich zusammenreißen. Sicherheitshalber rufe ich nochmal bei Christoph an. Keine Mailbox, kein Klingeln. Das Handy ist definitiv komplett aus. Als ich gerade überlege, wen ich sonst noch anrufen könnte, um meine Innereien zu retten, oder ob ich wenigstens eine behalten darf, fährt der Fahrer rechts ran.
»Here we are!«, sagt er und steigt aus. Zwischen Manhattan und uns liegt Wasser. Die Hochhäuser und die gesamte Skyline sind quasi gegenüber.
»Is this Brooklyn?«, frage ich besorgt.
»No, Marriott Bronx!«, antwortet der Fahrer.
Bronx. Oh, mein Gott. Ganz ruhig bleiben, Schnidt.
»This is wrong!«, reagiere ich panisch. Ich habe zwar meine Nierchen noch, aber die Aussicht, hier in der Bronx bleiben zu müssen, lässt erneut Angst in mir aufsteigen.
»Joking! It’s Brooklyn of course! A little further down you can even see the Brooklyn bridge«, lacht da der Fahrer, und ich finde, es gibt bessere Witze. Er öffnet unsere Schiebetür und hält uns seine Hand hin. Was will er denn
jetzt? Erst, außer einem doofen Witz, kein Wort sprechen und uns dann mit Handschlag verabschieden. Seltsamer Typ. Der Holländer kramt in seinem Portemonnaie, und schlagartig wird mir klar, was er will. Trinkgeld. Dafür, dass wir vom Flughafen bis hierhin über zwei Stunden gebraucht haben und dabei kreuz und quer durch New York gefahren sind? Ich zögere, denke dann an meine noch vorhandenen Nieren und meine Handtasche, fühle mich unsinnigerweise extrem dankbar und drücke ihm einen Fünf-Dollar-Schein in die Hand.
Der Holländer – er heißt Rouven, wie er mir erzählt – und ich betreten die Hotellobby. Ich bin ein wenig verwirrt, in Brooklyn zu sein. Ich meine, ich fahre doch nicht nach New York, um dann in Brooklyn zu wohnen. Manhattan ist das Zauberwort. Und ich habe doch eindeutig ein Hotel in Manhattan gebucht. Wahrscheinlich war unser Fahrer einfach nur faul und dachte, »Wenn ich den Käskopp hierherfahren muss, dann kann ich der Deutschen das Hotel auch gleich als ihrs verkaufen. Ein Tourist so dämlich wie der andere.«
Ich bin tatsächlich falsch hier. Und der Shuttle-Fahrer hat sich natürlich längst aus dem Staub gemacht.
Die Frau am Empfang ist nett, aber deutlich: »Misses Schnidt, you are here in Brooklyn East side and your reservation is for the Marriott Courtyard on fortieth street near New York Library.«
Mir liegt auf der Zunge, dass ich auch schon gemerkt habe, dass ich in Brooklyn bin, aber ich unterdrücke mir eine Bemerkung dazu. So wie die Sache aussieht, sollte ich mich besser zurückhalten.
Also sage ich nur: »And now?« Ich habe keinerlei Lust, nochmal loszuziehen. Ich will meine mit Kaffee versaute
Jacke ausziehen, und mein Körper schreit geradezu nach einer Dusche. Ich müffele dermaßen, dass höchstens noch ein aasfressendes Tier oder vielleicht Charlotte Roche Gefallen an mir finden könnte.
»I can get you a taxi or you take the subway. Or you walk«, schlägt mir Sandy, so heißt die Rezeptionistin laut Namensschild, vor.
»Can I stay here? This is a Marriott Courtyard too, isn’t it?«, frage ich jetzt. Natürlich ist mir ein Hotel in Manhattan lieber, aber ich fühle mich, als wäre ich in diesen Klamotten einmal rund um die Welt gejettet.
»Sorry, Mam, we are fully booked.« Na, das war deutlich.
Ich beschließe zu laufen. Vielleicht tut mir ein bisschen frische Luft gut.
»Willst du bei mir duschen?«, fragt Rouven höflich. Ein verlockender Gedanke, abgesehen von der Tatsache, dass es sich um Rouvens Dusche handelt und ich den Mann ja gerade mal zwei Stunden kenne. Wobei kennen auch leicht übertrieben ist. Wir haben zwei Stunden in einem Shuttlebus zusammen verbracht, das allein ist aber leider keine Garantie dafür, dass Rouven kein durchgeknallter Serienmörder ist. New York setzt in mir merkwürdige
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