Lieblingsstücke
Okay.«
»Zweimal Okay«, sage ich, »okay zum Austausch und okay zur Sprechstunde. Und es tut mir leid. Ich bin in New York und habe die Zeitverschiebung nicht bedacht.« Kleine Schleimeinlage zum Abschied. Außerdem habe ich ihr so nochmal aufs Brot geschmiert, dass ich in New York bin, also eine trendy Globetrotterin bin.
»Gut, bis dann, Frau Schnidt. Und viel Spaß in New York!«
Wenn alle gefürchteten Telefonate so problemlos wären, würde ich direkt noch Herrn Lümmert anrufen. Aber man soll sich positive Momente nicht wissentlich versauen. Das Gespräch hebe ich mir mal schön für morgen auf. Vielleicht sollte ich mir, wie meine Freundin Annabelle, Miss Karpfenmäulchen, immer empfiehlt, was beim Universum bestellen. Sie schwört darauf. Du musst es dir nur fest wünschen und es dann ordern, und dann klappt es! Sagt sie immerzu. Neulich hat sie sich, als wir uns in der Stadt getroffen haben, einen Parkplatz gewünscht und tatsächlich innerhalb kürzester Zeit einen gefunden. Natürlich war ich beeindruckt. Aber wenn das tatsächlich funktioniert, sollte man vielleicht sein Wunschkontingent nicht an Parkplätze vergeuden. Sie meint, das sei kein Problem. Man kann sich angeblich alles bestellen. Männer, Geld, Parkplätze und einen neuen Job. Man soll nur sehr konkret sein, es positiv formulieren und dran glauben, dann fluppt es, behauptet
sie. Überhaupt geht es, so Annabelle, mehr um eine grundsätzlich positive Haltung. Vielleicht hat sie ja recht, und ich bin nur zu negativ eingestellt. Und dann gibt’s nichts vom Universum. Da kennt das Universum keine Gnade. So wie man mit negativer Schufa-Eintragung auch nichts aus dem Katalog bestellen kann. Ich bin so gut drauf nach diesem erlösenden Telefonat mit Schuschu (ich muss darauf achten, diesen Namen nie vor Claudia zu erwähnen!), dass ich denke, es könnte einen Versuch wert sein.
»Liebes Universum«, wende ich mich direkt an die Bestelladresse, »bitte lass das Gespräch mit Herrn Lümmert auch so wunderbar ausgehen wie das mit Frau Rupps.« So, die Bestellung ist abgeschickt, jetzt heißt es entspannen und abwarten.
Entspannen ist eine schöne Idee. Ich hätte riesige Lust auf ein Nickerchen. Kein Wunder, dass ich saumüde bin. Immerhin ist es in Deutschland später Abend, ich bin seit Stunden unterwegs, habe im Flieger nicht geschlafen, und ich denke, das sind genug Entschuldigungen dafür, dass ich mich in einer Stadt wie New York, statt sie zu erkunden, aufs Ohr lege. Außerdem ist morgen ja auch noch ein Tag. Und wenn ich mich schön ausruhe, bin ich morgen auch wieder fit. Kurz vor dem Einschlafen überlege ich noch, ob ich für Christoph noch eine tolle Laufzeit bestellen sollte. Ich lasse es. Es ist mir zu riskant. Nachher hält mich das Universum für maßlos und streicht gleich beide Bestellungen.
5
Ich wache auf, weil ich einen Wahnsinns-Hunger habe. Mein Magen knurrt, und es ist stockduster draußen. Ortszeit drei Uhr dreißig, das heißt, ich habe nicht, wie geplant, ein kurzes Nickerchen gemacht, sondern fast neun Stunden durchgeratzt. Kein Wunder, dass ich Hunger habe, auch wenn ich alles, was es im Flieger gab, verschlungen habe. Angeblich ist New York ja eine Stadt, die nie schläft, aber halb vier erscheint mir für einen gemütlichen Stadtbummel trotzdem auch hier nicht die richtige Zeit. Ich rufe bei der Rezeption an. So ein Hotel sollte doch einen Zimmerservice haben. Haben sie auch. Theoretisch. Aber nicht mitten in der Nacht.
»Is there a McDonald’s or a Burger King near by?«, frage ich ein wenig verschämt. Die freundliche Männerstimme erklärt mir stolz, dass es nirgendwo sonst auf der Welt pro Quadratkilometer Fläche so viele McDonald’s-Filialen gibt wie in New York, mir das aber auch nichts nützt, weil die meisten um Mitternacht schließen.
Ich plündere die Mini-Bar. Esse zwei Tüten Chips und eine Packung Erdnüsse. Dazu zwei Bier, und mein Glück ist nahezu vollkommen. Ich mache die Glotze an, und während mich eine amerikanische Talk-Tante bequatscht, plane ich den heutigen Tag und entscheide mich, auch noch die Tafel Vollmilch-Nuss zu öffnen. Sich so gehen lassen, kann man am besten allein oder allerhöchstens noch mit der besten Freundin.
Punkt eins meines Tagesplans: Rausfinden, wo Christoph steckt. Punkt zwei: Vielleicht doch ein oder zwei Bestellnummern
der Claudia- SMS -Arie abarbeiten (immerhin ist das Kind ein Englischgenie!) und Punkt drei (kompatibel mit Punkt zwei): Shoppen. Punkt vier,
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