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Lieblingsstücke

Lieblingsstücke

Titel: Lieblingsstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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sie hat in den letzten Monaten gewagte Experimente mit hohen Dosen von Testosteron gemacht.
    »Äh, entschuldigen Sie die Störung, könnte ich vielleicht kurz Frau Rupps sprechen?«
    Der Mann antwortet nicht, aber ich kann deutlich ein Aufstöhnen hören, und dann ruft er so was wie: »Schuschu, eine Mutti am späten Samstagabend für die Frau Lehrerin!«
    Hört man mir, ohne dass ich überhaupt schon etwas gesagt habe, an, dass ich nur eine Mutti sein kann? Das ist nicht wirklich schmeichelhaft. Mutter sein ist schön, aber aussehen und klingen wie eine, das will keine. Ich auch nicht. Das Mutti-Bild hat eben wenig Verlockendes. Muss ich auf eine meiner Listen schreiben, könnte lohnend sein: Kampagne, um Mutti-Image zu steigern.
    Sehr interessant war auch, wie er sie gerufen hat. »Schuschu.« Offensichtlich der Kosename von Frau Rupps. Der hat eindeutig »Schuschu« gerufen. Ich habe keine Ahnung, was ein Schuschu sein könnte, aber der Name ist immerhin originell. Schade, dass es kein Bildtelefon gibt. Ich hätte
zu gern gesehen, wie der Schuschu-Mann aussieht. Wäre herrlicher Mutti-Klatsch.
    »Ja, Rupps«, meldet sich Claudias Klassenlehrerin.
    »Hallo, Frau Rupps, hier Schnidt, Andrea Schnidt, die Mutter von Claudia«, sage ich freundlich. Wenn ich nett bin, so meine zaghafte Hoffnung, wird sie vielleicht auch nett sein. Aktion-Reaktion. Wie es in den Wald hineinruft und so weiter. Ein Irrtum.
    »Ich weiß, dass Sie die Mutter von Claudia sind. Aber was, um alles in der Welt, wollen Sie am späten Samstagabend von mir?«
    Später Samstagabend, diese Schuschu-Kuh. Es ist hell draußen. Bockmist, ich bin ja in New York. Ein schneller Blick auf meine Armbanduhr mit der deutschen Zeit informiert mich darüber, dass die Rupps recht hat. Es ist kurz vor zweiundzwanzig Uhr in Deutschland, und mit dem Samstagabend liegt sie auch nicht falsch. Ich gehe in die Offensive. »Upps, Frau Rupps, das tut mir leid, aber ich war so im Stress.«
    Beim Wort Stress unterbricht sie mich. »Stress, wem sagen Sie das. Ich bin Lehrerin. Wollen Sie mir jetzt was von Stress erzählen?«
    Ich würde furchtbar gerne sagen, »Nein, lieber was vom verbindlichen Umgang mit anderen Menschen«, lasse es aber. Außerdem haben Lehrer ja kein Stress-Monopol. Dieses Telefonat scheint unter keinem günstigen Stern zu stehen.
    »Ich rufe nur an, weil meine Tochter gesagt hat, es wäre wichtig«, versuche ich eine weitere Annäherung.
    »Meine Güte, Frau Schnidt, ich dachte, es wäre was passiert. Dafür holen Sie mich hier aus meinem Meeting«, verpasst sie mir noch einen.
    Meeting! Am Samstagabend! Mit einem Mann, der Schuschu zu ihr sagt. Also ich mag ja naiv sein, aber blöd bin ich auch nicht.
    »Soll ich Sie lieber nächste Woche anrufen? Oder wollen wir es jetzt klären, wo ich Sie eh schon gestört habe, was mir natürlich leid tut.« Hilfe, ich schleime. Wenigstens nicht für mich, sondern für meine Tochter. Das macht die Sache ein bisschen besser. Uneigennütziges Schleimen gilt fast nicht.
    »Gut, Frau Schnidt, um es kurz zu machen, ich will Ihre Claudia ins Ausland schicken.« Um Himmels willen! Ist sie so renitent, dass nur noch eine Art Bootcamp für Aufsässige hilft?
    »Wieso denn das? Ich meine, sie ist halt in der Pubertät, das ist anstrengend, ich weiß das, aber sie gleich des Landes zu verweisen, also ich finde, das ist vielleicht dann doch übertrieben«, werfe ich mich für mein Kind in die Bresche.
    »Frau Schnidt, hören Sie doch erst mal zu. Claudia ist gut in Englisch, und ich wollte sie für ein Austauschprogramm vorschlagen. Nicht mehr und nicht weniger«, sagt Frau Rupps und klingt dabei so, als würde sie gleich loslachen. Sicherlich auch eine schöne Muttipanikgeschichte für eine Lehrerin. So wie wir mit Lehrergeschichten hausieren gehen, machen die das bestimmt auch mit Elterngeschichten.
    »Oh, Entschuldigung, aber das ist ja großartig. Wann denn und wohin, und wie läuft das denn so?«, werde ich sofort neugierig. Von wegen Bestrafung. Eine Art Auszeichnung. Mein Kind ist gut in Englisch. Juchhu! Vielleicht kann sie später nach Harvard oder Stanford. Obwohl Stanford wahrscheinlich netter ist, Kalifornien ist ja
so sonnig. Oxford geht natürlich auch, oder Cambridge. Vielleicht lernt sie einen aus der königlichen Familie kennen.
    »Die Details, Frau Schnidt, können wir ja nächste Woche besprechen, zu einer normalen Tageszeit, am liebsten in meiner Schulsprechstunde, es ging erst mal nur um ein generelles

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