Liebster Mitbewohner
jemals wirklich interessieren würde.
Ich sprang auf. Mein Kreislauf rebellierte und ich wankte kurz, dann fing ich mich und stolperte im Dunkeln hinaus in den Flur. Ich tastete mich an der Wand entlang bis ich Daniels Zimmertür erreichte.
„Wann fährt Felix‘ Zug?“, schrie ich, während ich die Tür aufriss.
„ Ahhhh…!“, schrie Daniel und schoss aus dem Bett hoch.
Ein Moment der Stille, dann: „Maja?“
„Nein, Daniela Katzenberger. Miau.“
„Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?“
„Nein. Du?“
„Nein“, gab Daniel nach einem Moment des Nachdenkens zu. Er konnte das Ziffernblatt seines uralten Weckers im Dunkeln nicht erkennen. „Was willst du?“
„Wissen, wann Felix am Bahnhof losfährt. Und wenn du mir jetzt sagst, dass du das nicht weißt, wirst du ihn noch mal für mich anrufen.“
„Acht Uhr siebenunddreißig.“
„Hältst du mich für blöd? Du lügst doch, um ihn nicht mitten in der Nacht anrufen zu müssen.“
„Stimmt gar nicht.“
„Wohl!“
„Gar nicht!“
Ich holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen. „Daniel, das hier ist wichtig. Also sag die Wahrheit!“
„Acht Uhr siebenunddreißig. Das weiß ich so genau, weil Miri heute um halb neun zum Frühstücken herkommt und ich davor überlegt hatte, ob ich Felix und Valerie nicht noch bis zum Bahnhof begleiten sollte.“
„Miri kommt um halb neun?“, fragte ich skeptisch. „Das ist für dich doch noch mitten in der Nacht.“
„Wem sagst du das? Kann ich jetzt weiterschlafen?“
„Von welchem Gleis sie losfahren weißt du nicht zufällig?“
„Sehe ich aus wie die Bahnhofsinfo?“
„Keine Ahnung, das kann ich im Dunkeln nicht erkennen.“
„Lustig.“
„Bei dir und Miri ist also alles wieder in Ordnung?“, versuchte ich noch, wenigstens ein bisschen gute Stimmung zwischen mir und meinem besten Freund zurückzulassen.
„Nein. Aber wir tun so, als ob. Ich will nicht drüber reden. Schon gar nicht mit einer Verrückten wie dir und mitten in der Nacht.“
„Okay.“ Ich schloss so leise wie möglich Daniels Zimmertür. Dann schlich ich auf Zehenspitzen in die Küche, schaltete Licht und die Kaffeemaschine ein und sah auf die große bunte Wanduhr über der Tür. Es war kurz vor sechs.
Ich ließ mir Zeit beim Anziehen, Zähneputzen und Schminken. Dann trank ich in Ruhe zwei Tassen Kaffee. Trotzdem war es erst viertel vor sieben. Und plötzlich zweifelte ich daran, ob ich wirklich zum Bahnhof fahren sollte. Was versprach ich mir überhaupt davon? Valerie würde da sein. In ihrer Gegenwart würde es mir wohl kaum gelingen, Felix von seinem Vorhaben abzubringen. Das hatte ich schließlich gestern nicht mal geschafft und da waren wir allein gewesen. Ich würde mich nur blamieren. Und Felix in seinem Verdacht bestätigen, dass ich noch immer oder schon wieder in ihn verliebt war.
Ich stellte die Tasse in die Spüle, ging in mein Zimmer und legte mich komplett angezogen auf mein Sofa-Bett.
Wenn Felix gehen wollte, sollte ich ihn vielleicht gehen lassen. Es war schließlich seine Entscheidung. Auch wenn es meiner Ansicht nach die falsche war. Das musste er für sich selbst herausfinden.
Ich wälzte mich hin und her, wünschte mir nichts sehnlicher, als Felix‘ Abfahrt einfach verschlafen zu können. Doch die zwei Tassen Kaffee pumpten durch meinen Körper und ließen meinen Verstand nicht zur Ruhe kommen.
Ich machte es mir zu leicht. Indem ich einfach hier blieb und mir einredete, dass ich Felix ziehen lassen musste, schützte ich mich lediglich selbst. Ich ersparte mir das Treffen mit ihm und Valerie, die Peinlichkeit. Was war ich ihm dann für eine erbärmliche Freundin. Ließ mich durch ein bisschen Feindseligkeit seinerseits und die Anschuldigung, ich sei in ihn verliebt, zum Aufgeben bewegen.
Ich dachte an vorgestern, als Felix mich von Leon weg- und ins Bad gezerrt hatte. Ihm war es egal gewesen, dass ich ihn angeschrien und beschimpft hatte. Er hatte getan, was er für richtig hielt, um mich vor mir selbst zu schützen.
Zum zweiten Mal an diesem Morgen sprang ich so plötzlich auf, dass mein Kreislauf protestierte. Ich wühlte in meiner Tasche nach dem Handy. Es war kurz vor acht.
Hektisch zog ich Schuhe und Jacke an und hetzte aus der Wohnung. Die Fahrt von hier bis zum Hauptbahnhof dauerte fast eine halbe Stunde. Und das auch nur, wenn direkt eine U-Bahn kam und ich nicht noch zehn Minuten warten musste.
Ich rannte durch die Kälte, schlitterte die Treppen zur Station
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