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Liebster Mitbewohner

Liebster Mitbewohner

Titel: Liebster Mitbewohner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Winter
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gestern, als er gesagt hatte: „Kann es sein, dass du noch in mich verliebt bist?“ Wie konnte ich ihn bitten nicht zu gehen, wenn er das sowieso als puren Egoismus meinerseits deuten würde? Das half nicht, im Gegenteil: Es konnte das ohnehin gespannte Band unserer Freundschaft endgültig zum Zerreißen bringen.
    Sie hatten jetzt fast die Tür ihres Wagons erreicht.
    Ich wandte mich ab, wollte nicht sehen, wie er einstieg.
    Dann plötzlich: „Maja?“
    Ich wirbelte herum und starrte Felix an, der ebenso perplex zu mir herübersah. Das konnte doch nicht sein. Wie schaffte er es, zufällig diagonal hinter sich zu Gleis 9 zu sehen? Was, verdammt noch mal, hatte er da gesucht? Und wieso nahm er sich, wenn e r mich schon gesehen hatte, die Zeit, mir zuzurufen? Es war sicher schon längst Zeit zum Abfahren. Steigt doch einfach ein, verdammt noch mal! Da sah ich aus den Augenwinkeln, wie zwei Schaffner zusammen aus Felix‘ Zug sprangen, sich in den Raucherkreis stellten und je eine Zigarette anzündeten. Verfluchte Deutsche Bahn!
    „Was machst du hier?“
    „Was denkst du? Ich bin schließlich in dich verliebt?“ , war ich versucht zu schreien, doch die Leute guckten auch so schon. Und wahrscheinlich würden weder sie noch Felix die Ironie verstehen.
    Valerie warf erst mir einen vernichtenden, dann Felix einen ungeduldigen Blick zu. Sie sagte etwas, das ich nicht verstand. Felix zuckte nur mit den Achseln.
    „Ich bin am falschen Gleis“, rief ich unnötigerweise.
    Felix‘ ernster Gesichtsausdruck wurde von einem Grinsen durchbrochen. „Wie hast du denn das hingekriegt?“
    „War gar nicht so schwer.“
    Ich sah, wie er mit einem Lachen kämpfte. „Glaub ich dir sofort.“
    Die Schaffner, die übrigens auch interessiert zu uns herüber sahen, hatten aufgeraucht. Mit einem auffordernden Blick in Felix‘ und Valeries Richtung stiegen sie in den Zug.
    Ich winkte. „Gute Fahrt!“
    Felix‘ Blick wurde wieder ernst. Er nickte nur. Dann drehte er sich um und stieg, gefolgt von Valerie, in den Zug.
    „Warte!“, schrie ich.
    Felix‘ blieb so abrupt stehen, dass Valerie gegen ihn lief. Er hatte schon die oberste Stufe und damit das Innere des Zuges erreicht, doch quetschte sich jetzt an seiner Freundin vorbei und stellte sich mitten in die Tür.
    Wir sahen uns an.
    Ich bemerkte weder den ärgerlichen DB-Mitarbeiter, der auf Felix zueilte, noch die neugierigen Bahnreisenden, noch Valerie, die mit verschränkten Armen im Zug stand. „Bleib hier!“
    Und dann war der schöne Moment der kompletten Indifferenz leider auch schon vorbei. Plötzlich sah ich den DB-Uniformierten, der jetzt seinerseits in einigem Abstand stehen blieb und anscheinend langsam Interesse an dem Spektakel fand. Ich wurde mir der Schaulustigen auf meinem und dem gegenüberliegenden Bahnsteig bewusst, und auch Valeries saurer Miene. Aber es war mir egal. Das einzig wichtige für mich war Felix‘ Reaktion, die jedoch mager ausfiel. Kein Lächeln, kein Grinsen, keine Erwiderung. Dafür aber auch kein Verziehen des Gesichts, kein ärgerliches Stirnrunzeln und kein Dachte-ich-es-mir-doch-Blick.
    „ Ich seh‘ doch, dass deine Entscheidung dich unglücklich macht! Oder willst du mir ernsthaft erzählen, dass du jetzt besser drauf bist, als noch vor zwei Tagen? Die letzten Wochen ging es dir gut. Und jetzt? Du bist wieder gereizt, deprimiert und fies!“
    Jetzt, endlich, kam eine Reaktion: Felix hob die Augenbrauen.
    „Ja, da brauchst du gar nicht so zu gucken!“, rief ich. „Du bist seit gestern wieder ein richtiges Arschloch. Also bleib bitte hier. Bleib hier und überleg dir in Ruhe, was du mit deinem Leben anfangen willst!“
    Felix starrte mich an. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Er trat einen Schritt vor, kam eine Treppenstufe hinunter. Er lächelte, doch er schüttelte den Kopf. Langsam, bedächtig. Dann drehte er sich um und verschwand endgültig im Inneren des Zuges.
    Valerie warf mir noch einen langen Blick zu. Dann folgte sie Felix.
     
     
    Kapitel 9
     
    Es dauerte einen Moment, bis ich verstand, was geschehen war. Die Zugtüren schlossen sich, der ICE fuhr ab. Und ich wurde mir der mitleidigen Blicke der Passanten um mich herum bewusst. Ich beeilte mich, vom Bahnsteig herunter zu kommen.
    „H übsche Männer sind wie….“, begann eine dralle, schon etwas ältere Frau, als ich an ihr vorrüberging.
    „Äh… danke, ich werd’s mir merken.“ Schnell mischte ich mich unter die anonyme Menge der Reisenden. Ich

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