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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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ziehen, Leah, sonst steuern wir auf eine Katastrophe zu. Es ist besser so.«
    Schnell wandte sie ihm den Rücken zu, ihre Tränen sollte er nicht sehen. Sie spürte seine Hände auf ihren Schultern.
    »Steve nimmt mich mit, ich hab’s schon mit ihm besprochen.«
    »Ja«, hörte sie ihn sagen. »Ist besser so, für uns beide.«
    Besser? Wieso besser? Sie drehte sich um und sah in seine Augen, die eine andere Wahrheit sprachen. David zog sie an sich und schloss sie in seine Arme. Sie erwiderte seine Umarmung, zögernd, verzweifelt, den Kopf an seine Schulter gelehnt, fühlte sein Herz schlagen, sein Kinn an ihrer Wange, seine Hände in ihrem Haar. Und der Teil in ihr, der sich immer noch gegen den Siegeszug ihrer Liebe gewehrt hatte und die Oberhand zurückzuerobern trachtete, gab auf.
    Sie küssten sich mit derselben Dringlichkeit, mit der ein Ertrinkender nach Atem ringt. Als seine Hände über ihre Brüste strichen, war die letzte Chance zur Umkehr verpasst. Sie liebkoste seine Ohrläppchen, seine Augen, ließ ihn die Kleider von ihrem Körper streifen und zog ihn mit sich auf das Bett.
    Davids Hände glitten mit unendlicher Langsamkeit über ihren Körper, wanderten über Hügel und Täler, strichen sanft über ihre Haut, sodass sich alle dort befindlichen Härchen aufrichteten, als stellten sie sich einer unbekannten Macht entgegen, der sich zu widersetzen sie doch keine Aussicht hatten.
    Als er in sie eindrang, war es, als wäre David der erste Mann in ihrem Leben, als hätten ihre Sinne nur auf diesen einen Zeitpunkt hingelebt. Mit ihm erlebte sie eine andere Bedeutung der Vereinigung, als seien ihre Seelen verschmolzen, näher und intensiver, als es das Spiel ihrer Körper, der unaufhörliche Reigen der Leiber je gestattet hätte.
    Leah krallte ihre Finger in Davids Rücken, drängte sich ihm entgegen, wollte sich in ihm auflösen, mit ihm eins werden, für immer. Sie war angekommen. Bei sich, bei ihm, es war das Gleiche.
    Keiner von ihnen hätte zu sagen vermocht, wie lange sie schweigend nebeneinander lagen. Zeit hatte ihre Bedeutung verloren.
    Schließlich hörte Leah David sagen: »Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, dass ich keine Luft mehr bekomme, wenn ich nicht in deiner Nähe bin. Weißt du das? Du bist überall. In meinen Gedanken. In meinen Träumen. Und in meinen schlimmsten Ängsten bist du auch. Die bloße Vorstellung, ohne dich zu sein, versetzt mich in Panik.«
    Sie zitterte am ganzen Körper, die Tränen abzuwischen machte keinen Sinn mehr, sie flossen unaufhörlich über ihre Wangen. Sie weinte vor Glück, Trauer und Hoffnungslosigkeit.
    »Bitte bleib. Wenigstens, bis wir Dutch Harbour erreicht haben.«
    Leah klammerte sich an ihn – keine Macht der Welt hätte sie vom Schiff bekommen. Nur noch wenige Tage, doch sie wollte keinen einzigen freiwillig hergeben. Was auch immer danach passierte, war in diesem Augenblick unwichtig. So verrückt es auch klang, sie hatte es ganz tief in ihrem Innern gespürt: Es war Bestimmung. Schicksal. Alle weiteren Gedanken und Überlegungen zählten nicht mehr, hatten längst ihre Gültigkeit verloren.
    »Nein, ich werde nicht fliegen. Ich könnte es nicht, selbst wenn du mich wegschicken würdest.«
    Sie liebten sich erneut und schliefen ein und wachten auf und fingen an, sich wieder zu lieben. Jeden kostbaren Augenblick saugten sie in sich auf und konnten nicht voneinander lassen, konnten keine Sekunde ertragen, in der ihre Körper nicht vereint waren, erschöpften sich bis zur Besinnungslosigkeit.
    Schließlich riss der Wecker sie aus traumlosem Schlaf zurück in die Wirklichkeit. David kramte nach seiner Uhr, die unter den Kleidern auf dem Boden lag. »Ich muss auf die Brücke, Leah.«
    Als sie ihm kurz darauf folgte, informierte sie ein brummiger Sam, David sei im Computerraum. Sie konnte ihm ansehen, dass er Bescheid wusste. Wahrscheinlich wussten alle Bescheid. Sie hatten sich achtzehn Stunden nicht an Deck blicken lassen.
    Leah fand David mit Govind vor einem Monitor ins Gespräch vertieft. Als sie neben ihn trat, suchte seine Hand augenblicklich die ihre.
    »Die Wale ziehen nach Süden. Und wir sollten uns auch langsam aufmachen«, erklärte Govind und zog mit dem Bleistift eine imaginäre Linie über den Bildschirm. »Dutch Harbour liegt jetzt südöstlich von uns. Auf direktem Weg sind es ungefähr 400 nautische Meilen. Und für die Landratten ...«, er wandte sich Leahzu, bemerkte, wie sie und David Händchen hielten, verzog aber keine Miene,

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