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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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abfinden müssen: Diese Artikel würden erscheinen, hundertprozentig. Sie empfand eine wachsende Aggressivität ihm gegenüber, obwohl sie wusste, dass es ungerecht war. Konnte sie ihm seine Ahnungslosigkeit übelnehmen? Vor kurzem hatte sie noch genauso gedacht wie er. Seltsam, die Erinnerung daran erschien ihr wie aus einem anderen Leben. Ihr Blick glitt über die Wellenberge, denen sich Masao und David gerade in dem kleinen Schlauchboot entgegenstemmten, um erneut die Buckelwale zu erreichen, die sich noch in ihrer Nähe aufhielten. Als ob sie kooperieren wollten, als ob sie wussten, dass es nur ihrem Schutz diente, wenn es David gelang, sie alle mit einem Sender auszustatten.
    »Schon gut, bring das Zeug ruhig mit. Wir werden sehen, was wir verwerten können.«
    Sein spürbares Desinteresse, wie eine schlagfeste Grundierung unter dem Lack seiner Worte, lenkte ihre Gedanken zurück zum Gespräch.
    »Wann kann ich mit dir rechnen? Madeleine will in einer Woche Urlaub machen, und ich muss den Personalplan aufstellen. Bleibt es jetzt bei Dutch Harbour?«
    Sie lauschte ihrem eigenen Atem, als gehörte er einer Fremden, und hörte sich schließlich mit »Ja« antworten. Steves Vorschlag, mit ihm das Schiff früher zu verlassen, verschwieg sie. »Aber ich warne dich, kein Wort zu Kazuki, erst musst du dir anhören, was ich über die Leute hier zu berichten habe.«
    Anstelle einer Antwort erzählte ihr Geoffrey, dass er eine kleine Feier arrangiert hätte.
    »Feier?« Was, bitte, gab es zu feiern? Genau genommen war die ganze Aktion doch als Flop einzustufen. Sie war einem Spendenbetrug nachgegangen, der sich in Nichts auflöste.
    »Da wir jetzt Michaels Segen haben, dachte ich mir, wir können es endlich offiziell machen. Oder?«
    David ließ sich vom Schlauchboot aus in die See fallen. Sie erinnerte sich, wie er gestern in ihrer Nähe geblieben war, als sie den Kontakt zu dem Walbaby geknüpft hatte.
    »Was, bitte, willst du offiziell machen?«
    »Leah, nicht per E-Mail, nicht per Telefon, nein, so richtig mit allem Drum und Dran. Sag mir nicht, dass du das vergessen hast, wir haben darüber gesprochen!«
    »Die Verlobung? Ja, wir sprachen über Verlobung. Im Konjunktiv.«
    »Mit einer echten Cajun-Band. Madeleine hat auch ihre Kontakte zu diesem Zauberer spielen lassen, die Einladungen gehen heute raus.«
    »Wie bitte?!«
    »O. k., wenn du’s nicht willst, lassen wir den Zauberer weg, ich dachte nur, Mickey könnte das Spaß machen.«
    Wenn er etwas nicht begreifen wollte, konnte sich Geoffrey verdammt stur stellen. »Ich will keine Feier, Geoffrey.« Ich will keine Verlobung, wollte sie ins Telefon schreien, als ihr Blick zurück zum Schlauchboot wanderte. »Können wir nicht in Ruhe darüber reden, wenn ich in Washington bin? Ich ...« Ich willmich mit dir nicht verloben, Geoffrey Wilbert, denn das käme einem Eheversprechen gleich, und ich will dich nicht heiraten, denn so, wie es aussieht, bist du der Falsche. Der Richtige ist hier – auch wenn er mich nicht will. »Geoffrey, ich lass mich nicht unter Druck setzen. Ich werde kein geladener Gast auf meiner Verlobungsfeier sein. So läuft das nicht. Wir reden darüber, wenn ich in Washington bin. Punkt. Ich ruf dich an, bevor ich von Bord gehe.«
    »Wie du meinst.« Seine Stimme hatte schlagartig die Innentemperatur ihres Vier-Sterne-Gefrierfaches erreicht.
    Es war unfair ihm gegenüber, doch sie hatte nicht den Mut, ihm die Wahrheit zu gestehen. Geoffrey hatte es gut gemeint, er wollte ihre gemeinsame Zukunft zelebrieren und ahnte nicht, dass es für sie fast wie die Einladung zur Guillotine klang.
    Geoffrey verabschiedete sich ungewöhnlich knapp. »O. k. Bis dann.« Mein Schatz. Er hatte es nicht gesagt.
    Und sie hatte es nicht vermisst. Im Gegenteil.
    David tauchte neben dem Boot aus dem Wasser auf. Aufgeregt gestikulierte er, dann stülpte er sich die Tauchmaske wieder übers Gesicht, ließ sich von Masao die Unterwasserkamera geben und versank erneut in den Fluten.
    Er war in seinem Element. Der einsame Retter der Wale. Der einsam bleiben wollte. Was nichts daran änderte, dass sie ihn liebte!
    Ironie des Schicksals, dass Geoffrey ihr diese Einsicht geschenkt hatte. Ausgerechnet Geoffrey, den Michael nach so langer Zeit endlich bereit war, als seinen Dad zu akzeptieren. Und dem sie zum Dank für seine Mühen prompt Hörner aufgesetzt hätte, wäre von David auch nur ein winziges Signal gekommen. Sie liebte David McGregor. Nach dem Gespräch mit Geoffrey

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