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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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hatten sich ganze Fischschwärme darin verfangen. Leah stellte fest, dass auch Steve diese elende Arbeit nicht zum ersten Mal verrichtete. Schweigend arbeitetensie sich Meter für Meter an dem engmaschigen Nylonnetz voran. Hier und da fanden sich tatsächlich größere Abschnitte, in denen sich nicht ein einziges gefiedertes Opfer verfangen hatte, doch dann kamen gleich wieder vier bis fünf Vögel. Es wirkte, als ob sie sich entschieden hätten, einander beim Sterben Gesellschaft zu leisten. Leah hätte nicht sagen können, wie lange sie schon gearbeitet hatte, als wieder ein vertrautes Geräusch zu hören war. Es ähnelte dem Fiepen des Vogels, den sie nicht retten konnten, doch diesmal war es deutlich lauter und klang fast wie ein Wiehern. Über ihnen segelten vier Albatrosse.
    »Mist«, entfuhr es Steve, und Leah begriff, woran er dachte. Die Tiere waren auf der Suche nach Nahrung. Wenn sie jetzt einen Sturzflug ins Wasser machten, dann sicher an der Stelle, wo das Netz mit seinen Tausenden von Leichen trieb. Leah blickte zu den Vögeln, die sich majestätisch durch die Luft schwangen, und erinnerte sich an einen Dokumentarfilm, der den Anflug von Albatrossen festgehalten hatte. Damals hatte sie Tränen gelacht, denn eine Landung ohne Purzelbaum war für jene Albatrosse schon eine Glanzleistung. In krassem Gegensatz zu ihrer Schwäche beim Wassern stand die Eleganz ihres Fluges.
    Die Vögel umkreisten das Schiff und landeten glücklicherweise vor dem Bug der »SeaSpirit«. Da das Netz hinter dem Schiff lag, bestand für sie dort keine Gefahr. Marek schien die Tiere ebenfalls gehört zu haben, denn er eilte zur Reling und warf ihnen Küchenabfälle entgegen. Gut so, damit konnte er sie vom Netz fernhalten.
    Steve und Leah konzentrierten sich weiter auf ihr trauriges Tun. Ab und an vernahmen sie die Schreie der Albatrosse, doch sie kümmerten sich nicht weiter darum. Erst als die Vögel nach einer Weile über ihre Köpfe hinwegflogen, sah Leah ihnen hinterher. Macht’s gut, dachte sie, gerade bevor einer der Vögel zum Sturzflug ansetzte.
    »Oh Gott«, schrie sie, doch da stach das Tier bereits ins Wasser. Steve sah Leahs entsetzten Blick und erkannte die Lage. Leah stellte sich auf und konnte sehen, wie die Kreatur vergeblich versuchte, sich aus ihrer Falle zu befreien, doch je mehr sie mit den Flügeln schlug, umso mehr verwickelte sie sich in ihren eigenen Untergang. Steve fluchte, legte das Messer zur Seite und ergriff das Paddel. Leah tat es ihm gleich. Zehn Meter vom Netz entfernt warf Steve den Außenborder an, dann bewegte sich das Boot über die Wellen auf den Albatros zu. Seine drei Kollegen hielten sich immer noch in der Luft, und Leah betete, dass sie dort blieben.
    Geschickt steuerte Steve auf den Vogel zu, sodass ein weiteres Paddeln nicht nötig war.
    »Halte du seinen Kopf nach oben, ich versuch ihn zu befreien«, rief Steve.
    Leah beugte sich über den Rand des Bootes hinweg und näherte ihre Hand behutsam dem Vogel. Er schnappte nach ihr, doch Leah zog die Hand nicht weg. Die Handschuhe boten genügend Schutz. Der Albatros starrte sie entsetzt an, während ihre linke Hand seinen Hals umfasste, um den Kopf über Wasser zu halten. Dabei schlug der Vogel so heftig mit dem noch freien Flügel gegen das Boot, dass Leah Angst hatte, er könnte brechen. Steve lehnte sich neben ihr über die Luftkammer und versuchte vergeblich, das Tier zu befreien.
    »Ich muss ins Wasser, so schaff ich das nicht.«
    Er setzte die Tauchermaske auf, zog die Flossen an und glitt vorsichtig über Bord.
    Leah beobachtete, wie Steve sich unter der Wasseroberfläche an dem Netz zu schaffen machte, während der Vogel um sich schlug und immer wieder versuchte, nach ihr zu schnappen. Als endlich beide Flügel frei waren, fing er an zu kreischen und wollte sich auf der Stelle in die Lüfte erheben. Doch immer nochschien ein Fuß im Netz zu hängen. Steve tauchte auf, saugte gierig Luft ein und verschwand wieder unter Wasser. Zehn Sekunden später hielt der Vogel kurz inne, sah Leah an, als ob er sich bedanken wollte, dann breitete er seine Flügel aus, und mit kräftigen Schlägen erhob er sich schwerfällig und laut kreischend in die Luft. Er hat es geschafft, dachte Leah. Wärme durchflutete ihren Körper. So vielen Tieren hatten sie nicht mehr helfen können, aber es war ihnen wenigstens gelungen, eines zu retten. Sie war noch ganz in diesem Glücksgefühl gefangen, als ihr schlagartig bewusst wurde, dass der Vogel zwar fort,

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