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Lied der Wale

Lied der Wale

Titel: Lied der Wale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Thomas
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sicher zwischen den beiden Booten wie auf einer Trage. Joe informierte Govind, dass er das Becken vorbereiten solle. Deswegen also der Pool, begriff Leah und wollte gerade über den Kopf des Wals streicheln, als David sie bat, das Schlauchboot zu übernehmen. Er und Steve würden im Wasser beim Wal bleiben, während sie und Joe die beiden Zodiacs mit geringer Geschwindigkeit zur »SeaSpirit« steuern würden, immer den Wal in der Mitte.
    Schließlich erreichten sie das Schiff. Dort hatte Govind bereits eine Trage mit dem Kran heruntergelassen, und Leah half den beiden vom Boot aus, sie unter den Wal zu schieben. Schließlich reckte David den Daumen nach oben, und das Tuch samt seiner lebenden Fracht hob sich in die Höhe. Mit einer Leichtigkeit, die sie sich unter anderen Umständen nicht zugetraut hätte, erklomm Leah die Jakobsleiter, der Gedanke an Schwindelgefühle kam gar nicht erst auf, die Angst um den kleinen Wal ließ keiner anderen Empfindung Raum. David folgte ihr, während Steve mit den anderen die Arbeit am Netz fortsetzte.
    A n Bord hatte Govind alles gut vorbereitet. Die Abdeckung des Pools war zur Seite geräumt, das Becken etwa zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Vorsichtig ließ Joe den Wal über dem Becken ab. David glitt hinein, und Leah folgte ihm unaufgefordert. Das Wasser war so tief, dass sie gerade noch stehen konnte.
    Als der Wal fast vollständig im Becken verschwunden war, regte er sich immer noch nicht. David watete auf ihn zu und strich über seinen Kopf. Der Wal gab keinen Laut von sich. Auch Leah berührte seine glatte Haut, während seine Augen zu ihr wanderten.
    »Ist es schlimm?«
    David hob die Schultern. »Die Verletzungen an den Flossen sehen übler aus, als sie sind, auch die an der Fluke. Wir können nur hoffen, dass er nicht zu lange ohne Sauerstoff war.«
    Was das bedeutete, war Leah klar. Und sie betete inständig, dass die Lähmung nicht daher rührte, dass bereits zu viele Gehirnzellen abgestorben waren.
    »Wir müssen ihn alle drei Minuten aus dem Wasser heben, damit er atmen kann. Und wieder absenken. Ich hoffe, dass er irgendwann zu schwimmen beginnt«, erklärte ihr David und fügte hinzu, dass das Heben und Senken des Weißflankenschweinswals,wie seine genaue Bezeichnung lautete, über den Computer gesteuert würde.
    Beide verharrten eine Weile schweigend bei ihrem kleinen Freund, so als führten sie einen inneren Dialog mit ihm, dann räusperte sich David.
    »Mehr können wir im Moment leider nicht für ihn tun. Ich werd mich wieder um das Netz kümmern.« Er strich dem Wal zum Abschied noch einmal über den Kopf und verließ das Becken, während Leah neben dem Tier verweilte. Nein, sie würde ihn nicht verlassen, sie würde hierbleiben und Krankenwache halten – so lange, bis er gesund war. Sein Blick folgte jeder ihrer Bewegungen, woraus Leah schloss, dass noch nicht alles verloren sein konnte.
    So verharrten sie beide, Auge in Auge, bis der Kran anfing, ihn langsam zu senken. Doch er rührte sich immer noch nicht. Er braucht Zeit, versuchte Leah sich Mut zu machen. Wer weiß, wie sehr ihn die Wunden noch schmerzten .
    Govind erschien am Beckenrand. »Wie geht’s ihm?«
    »Er rührt sich nicht.«
    »Er wird schon wieder«, meinte der Inder, doch seine Stimme war nicht in der Lage, den Optimismus zu verbreiten, den seine Worte suggerieren sollten. Einen Moment blieb er am Beckenrand stehen, dann verschwand er in Richtung Heck.
    Das Fortschreiten der Zeit zeigte sich ab sofort im dreiminütigen Heben und Senken des Wales. Leah blieb im Becken, der Neoprenanzug ließ sie die Kälte völlig vergessen. Zweimal hatte sie den Eindruck, der Wal hätte sich bewegt, begriff aber, dass es nur eine Täuschung gewesen sein konnte. Als es dunkel wurde, bemerkte sie schließlich, dass sie fröstelte, und so entschied sie sich, das Becken zu verlassen.
    »Ich komme gleich wieder, mein Guter«, sagte sie, strich ihm nochmals über den Kopf und kletterte dann über die Leiter amBeckenrand hinaus. Über die Reling hinweg sah sie, dass die anderen immer noch mit dem Netz beschäftigt waren. Es war harte, mühevolle Arbeit. Scheinwerfer beleuchteten mittlerweile die makabre Szenerie. Überall um die Männer herum schwammen tote, aufgedunsene Leiber. Leah konnte kaum fassen, mit welcher Unnachgiebigkeit diese verrückten Kerle sich dort abmühten. Am liebsten wäre sie wieder zu ihnen gestoßen, hätte gezeigt, dass sie ihre Gefühle teilte, dass sie zu würdigen wusste, was sie da

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