Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merice Briffa
Vom Netzwerk:
Obwohl sie auf die fantastische Erfahrung der letzten Monate um nichts auf der Welt hätte verzichten wollen, fühlte sie sich jetzt doch stark erholungsbedürftig.
    Nachdem sie einen Fuhrmann beauftragt hatten, ihr Gepäck, sobald es ausgeladen war, einzusammeln und ihnen zuzustellen, nahmen Etty und Alistair eine Droschke zu dem Haus in Toorak, das Etty zum achtzehnten Geburtstag von ihren Eltern bekommen hatte. Es war ein Haus mittlerer Größe, das von einem hübschen Garten umgeben war. Eine Frau kam täglich, um die Hausarbeit zu erledigen; ihr Mann kümmerte sich um den Garten und half seiner Frau bei allen schwereren Arbeiten im Haus.
    Zwei Monate nachdem Etty und Madame das Haus bezogen hatten, war Alistair bei ihnen eingezogen. Er hatte eine separate Wohnung im ehemaligen Dienstbotenteil auf der Rückseite des Hauses, aß aber immer mit Etty und Madame.
    Etty seufzte glücklich, als die Droschke durch das offen stehende schmiedeeiserne Tor fuhr. »Trautes Heim, Glück allein. Ich liebe mein Haus wirklich sehr. Nach fünf Monaten in Hotelzimmern und Schiffskabinen freue ich mich darauf, endlich wieder in meinem eigenen Bett zu schlafen.«
    Alistair lachte. »Wie wirst du es denn aushalten, ein Jahr oder noch länger fort zu sein, wenn wir nach Italien gehen?«
    Â»Ich weiß ja, dass mein Haus für mich da sein wird, wenn ich zurückkomme. In Italien werde ich außerdem nicht ständig von einem Hotel ins andere ziehen müssen. Ich finde bestimmt eine Wohnung, die ich zu meinem zweiten Zuhause machen kann.«
    Der Kutscher hatte die Droschke um die kreisförmige Einfahrt gelenkt und hielt nun vor den Eingangsstufen an. Alistair war bereits ausgestiegen und half Etty vom Wagen herunter, da kam die Haushaltshilfe aus der Tür geeilt.
    Etty sah sie erstaunt an. »Mrs Brown, was ist denn los? Ich habe Sie heute Nachmittag gar nicht hier erwartet.«
    Â»Ich bin Tag und Nacht hier gewesen, Miss Trevannick. Madame geht es nicht gut.«
    Alistair ergriff ihren Arm, als sie voller Sorge ausrief: »Ich muss sofort zu ihr.«
    Â»Sie ist in ihrem Zimmer, Miss. Der Arzt hat darauf bestanden, dass sie im Bett bleibt.
    Etty raffte die Röcke, hastete die wenigen Stufen zur Veranda hoch und rannte mit klappernden Absätzen über die Fliesen in der Diele. Alistair lief neben ihr her die Treppe hinauf und dann den Flur entlang bis zu Madames Zimmer. Die Tür stand offen. Durch die Gardinen am Fenster waren blauer Himmel und sich im Wind wiegende Baumkronen zu erkennen. Madame sah, wie sie an der Tür zögerten.
    Â»Etty, Alistair, meine Lieben, kommt herein, ihr beiden.«
    Sie streckte ihnen die Arme entgegen, die seit ihrer letzten Begegnung deutlich dünner geworden waren. Etty kämpfte mit den Tränen. Madame war offensichtlich sehr krank. Als Etty am Krankenbett stand, legten sich sehr schwache Finger um ihre Hände.
    Â»Madame.« Ihrer Stimme waren die Tränen anzumerken, die sie zu unterdrücken versuchte. »Liebe Madame, ich hätte mit Ihnen zurück nach Melbourne fahren sollen.«
    Madame schüttelte schwach mit dem Kopf. »Du warst auch in Neuseeland erfolgreich, nicht wahr?«
    Â»Etty hatte glänzenden Erfolg«, antwortete Alistair. »Sie wären sehr stolz auf sie gewesen.«
    Madame zog Etty zu sich herunter, um sie auf die Wange zu küssen. »Ich bin immer stolz auf dich gewesen, mein geliebtes Mädchen. Ich bin zufrieden. Ich habe eine große Künstlerin geschaffen. Es macht mir nichts aus zu sterben.«
    Â»Nein, Madame, nein, Sie werden wieder gesund. Sie müssen wieder gesund werden. Ich kann ohne Sie nicht singen.«
    Nun konnte Etty die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie setzte sich auf die Bettkante und umarmte die Frau, die sie wie eine Großmutter lieben gelernt hatte. Madame legte ihre Arme um Ettys Rücken. Auch sie weinte. Alistair ging zum Fenster und rieb sich mit einer Hand über die Augen. Er durfte jetzt keine Tränen vergießen, sondern musste stark sein für die beiden Frauen, die er so sehr liebte.
    Etty löste sich sanft aus Madames Armen und trocknete sich die Augen. »Was hat der Arzt gesagt?«
    Â»Ich bin eine alte Frau. Mein Herz ist erschöpft. Ich bin müde, Liebes.«
    Â»Möchten Sie, dass wir jetzt gehen, damit Sie schlafen können?«
    Â»Kommst du später noch mal und setzt dich zu mir?«
    Â»Natürlich

Weitere Kostenlose Bücher