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Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merice Briffa
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wäre ich niemals so erfolgreich geworden.«
    Â»Selbst die beste Lehrerin kann aus einer untalentierten Sängerin keine gute machen. Ich hätte nie damit gerechnet, jemals eine solche Schülerin zu haben wie dich, meine liebste Etty.«
    Â»Sie hatten aber doch Mama. Von ihr habe ich meine Stimme geerbt.«
    Â»Ach ja, Meggan. Sie war meine große Hoffnung.« Madame seufzte tief, und eine Träne lief ihre Wange hinunter. »Deine Mutter mag mich vielleicht enttäuscht haben, aber sie hat mir stattdessen ihre Tochter gegeben. Etty, ich würde deine Mutter gern noch einmal sehen. Etwas lastet auf meinem Gewissen, das ich klären muss, bevor ich vor meinen Schöpfer trete.«
    Â»Ich werde ihr sofort schreiben, Madame.«
    Etty erinnerte sich, dass ihre Mutter ihr beim ersten Besuch in Adelaide erzählt hatte, dass Madame ihr etwas zuleide getan hätte. Was das genau war, hatte ihre Mutter jedoch nicht preisgegeben. Zweifellos war das die Angelegenheit, die Madames Gewissen plagte. Etty schrieb einen kurzen Brief, und Alistair brachte ihn zur Post, damit er noch mit der nächsten Postkutsche nach Ballarat gehen könnte. Drei Tage später war Meggan in Melbourne.
    Nachdem sie ihre Tochter umarmt hatte, die sie fünf Monate nicht gesehen hatte, ging Meggan sofort zu Madame. Während sie bereits die Treppe hinaufstieg, zog sie Hut und Handschuhe aus und gab sie Etty, damit sie die Sachen in das Zimmer brächte, das für sie und Con immer bereitstand, wenn sie nach Melbourne kamen. Etty ließ ihre Mutter an der Tür zu Madames Zimmer allein. Madame schlief.
    Leise betrat Meggan das Zimmer. Sie war schockiert über das eingefallene und bleiche Gesicht ihrer alten Lehrerin. In den Monaten, seit Meggan sie das letzte Mal gesehen hatte, schien Madame um viele Jahre gealtert zu sein. Mit der Spitzenhaube auf dem Kopf und dem weißen Nachthemd, das bis zum Hals zugeknöpft war, hatte sie nur noch wenig Ähnlichkeit mit der lebenssprühenden exzentrischen Frau, die damals ein junges, weltfremdes Mädchen eingeschüchtert hatte. Meggan setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Eine Zeit lang beobachtete sie, wie sich Madames Brustkorb schwach hob und senkte und wie sie leise atmete. Viele Erinnerungen kamen ihr in den Sinn, gute, lustige und traurige.
    Madame hatte sie ermuntert, ihr Glück mit Con so weit wie möglich auszukosten, selbst als sie noch mit David verheiratet gewesen war. Jene zwei Wochen leidenschaftlicher Liebe hatten schließlich zu einer Tragödie geführt, und das alles nur wegen Madames losem Mundwerk.
    Meggan nahm eine trockene und runzelige Hand von der Bettdecke und hielt sie zwischen ihren Händen. »Ich verzeihe Ihnen«, flüsterte sie. »Ich habe Ihnen schon vor langer Zeit verziehen, wegen Etty.«
    Madame regte sich leicht. Wenige Minuten später öffnete sie die Augen und drehte den Kopf, damit sie sehen konnte, wer ihre Hand hielt.
    Â»Meggan, meine Liebe. Sind Sie das wirklich?«
    Â»Ja, Madame, ich bin’s.«
    Â»Bitte verzeihen Sie mir, Meggan. Ich habe meine Schuld tief in mir begraben, weil ich nicht wahrhaben wollte, dass ich den Tod Ihres Mannes verursacht habe. Nun kommt das alles wieder und quält mich. Ich war eine törichte Frau mit zu losem Mundwerk.«
    Bestürzt sah Meggan, wie Tränen die pergamentartigen Wangen hinunterzulaufen begannen. Sie drückte Madames Hand. »Ganz ruhig. Die Zeit heilt alle Wunden. Ich habe Ihnen schon vor Langem verziehen. Sie dürfen sich nicht quälen. Vielleicht hatte das Schicksal es vorherbestimmt, dass David an jenem Nachmittag vor diese Kutsche laufen sollte, ganz gleich ob sie mit ihm gesprochen hätten oder nicht.«
    Madame schniefte. »Sie haben immer an das Schicksal geglaubt, daran kann ich mich erinnern.«
    Â»Ja, das habe ich, und ich glaube immer noch, dass uns unser Lebensweg vorherbestimmt ist, wie schmerzhaft er auch manchmal sein mag. Ruhen Sie sich jetzt erst mal aus, Madame. Ich muss meine Reisekleidung ausziehen und mich ein wenig frisch machen. Ich bin bald wieder bei Ihnen.«
    Madame Marietta starb dreieinhalb Wochen später. Etty saß an ihrem Bett, als sie ihren letzten Atemzug tat. Leblose Augen starrten auf einen Punkt irgendwo hinter Ettys Schultern. Sie berührte mit einer Hand das noch warme Gesicht, um die Lider über diesen blicklosen Augen zu schließen, stellte aber fest, dass sie es

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