Lied des Schicksals
war ihre Freundschaft besiegelt.
Darcy verschloss die Verbitterung, die seinen Jähzorn noch verstärkt hatte, tief in seinem Herzen. Dann erhielt er tatsächlich eine Nachricht von Etty, eine Postkarte aus Amerika. Darauf stand nur, dass sich ihre Rückkehr nach Australien verzögert hätte. Er warf die Karte ins Feuer.
Der Brief, auf den er schon so lange gewartet hatte, kam mit dem ersten Schiff an, das Anfang April 1873 den Fluss hinunterfuhr. Bereits am Ende desselben Monats war er Gehilfe des Anwalts Ernest Williams Esq. in Bendigo.
Darcy stellte schon bald fest, dass die Aufgaben eines Anwaltsgehilfen ziemlich eintönig waren. Die Anhörungen vor Gericht fand er immer interessant, auch wenn sich die Täter oft nichts Schlimmeres hatten zuschulden kommen lassen, als durch Trunkenheit öffentliches Ãrgernis zu erregen. AuÃerdem gab es zahlreiche Anklagen wegen geringfügiger Diebstahlsvergehen und nicht gerade wenige wegen körperlicher Gewalt. Es erzürnte ihn immer besonders, wenn das Opfer einer solchen Gewalttat eine Frau war.
Dass regelmäÃig Aborigines vor Gericht standen, die wegen Trunkenheit oder geringfügiger Delikte angeklagt waren, bekümmerte ihn sehr. Er sah, dass sich das Verhalten der Männer in keiner Weise änderte, wenn man sie ein paar Tage ins Gefängnis sperrte. Sobald sie entlassen wurden, fingen sie wieder an zu trinken.
»Wie kommen die an den Alkohol?«, fragte er Williams. »Wer auch immer den Aborigines Alkohol verkauft, verstöÃt gegen das Gesetz. Diese Leute müssten bestraft werden.«
»Das ist wahr. Leider gibt es immer noch viel zu viele Dreckskerle, die mit Alkohol Aborigine-Frauen kaufen. AuÃerdem gibt es um die Goldfelder herum viel zu viele illegale Destillerien. Die Männer und Frauen, die dort Schnaps brennen, interessiert nicht, wem sie ihr Gift verkaufen.«
»Warum schlieÃt die Polizei die Brennereien dann nicht?«
»Die müssen sie erst mal finden. Leute, die illegal Schnaps herstellen, haben eine Menge Informanten, die sie vor einer Polizeirazzia warnen. Bis die Polizei in dem verdächtigen Gebäude auftaucht, sind sämtliche Gerätschaften gut versteckt.«
»Ich wollte Jura studieren, um den Aborigines und anderen armen Leuten, die zu Unrecht diskriminiert werden, helfen zu können. Doch auch wenn es illegal und unmoralisch sein mag, Alkohol an Aborigines zu verkaufen, kann man das wohl kaum als Diskriminierung bezeichnen.«
»Was ist denn für Sie Diskriminierung?«
Da erzählte Darcy Williams von dem Massaker an der Aborigine-Familie, das sich vor Jahren auf Langsdale ereignet hatte. Der Zorn in seiner Stimme war nicht zu überhören, als er erzählte, dass der Sergeant und seine SpieÃgesellen für ihre Verbrechen nicht bestraft worden waren.
»Gegen diese Art von Diskriminierung möchte ich kämpfen. Bei Brutalität und Mord gibt es ein Gesetz für die WeiÃen und ein anderes für die Aborigines.«
»Das ist wahr. Allerdings ändert sich da was, wenn auch sehr langsam. Sie sind erst wenige Monate hier, Winton. Sind Sie von Ihrer Arbeit enttäuscht?«
»Ãberhaupt nicht. Das ist alles sehr interessant, wenn auch oft Routine. Ich warte halt nur voller Ungeduld auf die Gelegenheit, als Anwalt selbst Unrecht bekämpfen zu können.«
»Sie sind also immer noch entschlossen, Anwalt zu werden?«
»Auf jeden Fall. Ich habe jahrelang auf so eine Chance gewartet, wie Sie sie mir gegeben haben.«
»Was ich ganz gewiss nicht bedauere. Sie haben meine Erwartungen mehr als erfüllt. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erkläre, dass ich Sie bereits jetzt für ausreichend qualifiziert halte, um Ihre Zulassung als Anwalt zu beantragen?«
Darcy starrte ihn fassungslos an. Er fragte sich, ob seine Ohren ihn wohl getrogen hatten. Er brachte kein Wort heraus.
»Ich werde mir aus Melbourne die nötigen Formulare für Ihre Zulassung schicken lassen. Die füllen wir dann aus und schicken sie mit der Bitte um zügige Bearbeitung zurück. Noch vor Ende des Jahres sind Sie Anwalt.«
»Danke, Mr Williams. Ich ⦠du meine Güte, ich bin fast sprachlos. Ich bin überwältigt.«
»Da ist nur eine Kleinigkeit, über die Sie ganz ernsthaft nachdenken sollten, bevor die Papiere eintreffen. Sie werden Ihre Herkunft verleugnen müssen. Sie haben gesagt, Ihre Mutter sei von
Weitere Kostenlose Bücher