Lied des Schicksals
liebte. Da Louisa Etty auch sehr gern hatte, wollte sie mit keinem Wort und keiner Geste versuchen, Darcy dazu zu bringen, seine Liebe ihr zuzuwenden. Darcy und sie waren immer noch enge Freunde, auch wenn sie ihn schon lange so liebte, wie eine Frau einen Mann nur lieben kann. Sie würde immer für ihn da sein. Vielleicht würde er ihr eines Tages seine Liebe schenken. Und wenn das geschah, wäre sie bereit.
Etty hatte Europa im Sturm erobert. Ihr Ruhm breitete sich rasch aus, und ihr Name wurde mit Bewunderung ausgesprochen. Begeisterte Zuschauer warfen ihr nach jedem Auftritt Blumen auf die Bühne. Hoffnungsvolle Verehrer schickten RosensträuÃe und Körbe mit exotischen Blumen in ihre Garderobe. Mehr als einmal schon, wenn sie mit Alistair in einem Restaurant aÃ, hatte ein leidenschaftlicher junger Verehrer ihre Hand ergriffen und ehrfürchtig geküsst. Solche Begegnungen amüsierten Etty, die rasch lernte, mit derart übertriebenen Gunstbeweisen souverän umzugehen.
Ab und zu gestattete sie einem Verehrer, sie zu einem gesellschaftlichen Ereignis zu begleiten oder zu einem Ausflug einzuladen, doch sie sorgte dafür, dass keiner von ihnen Grund hatte zu glauben, sie würde ihn allen anderen vorziehen. Nie nahm sie vom selben Mann zwei Einladungen hintereinander an. Und sie traf sich überhaupt nur dann mit jemandem ein zweites Mal, wenn sie die Gesellschaft dieses Mannes wegen seiner intelligenten Konversation, seines Humors oder ganz allgemein wegen seiner guten Umgangsformen genoss. Mit einem Verehrer, der den Fehler machte zu versuchen, sie in den Arm zu nehmen oder gar zu küssen, sprach sie nie wieder.
Verärgerte Frauenhelden fingen an, sie als frigide zu bezeichnen. In manchen Kreisen wurde sie die Eiskönigin genannt. Etty fand das amüsant. Sie wusste, dass ihr Herz voller Leidenschaft war, einer Leidenschaft, von der Madame behauptet hatte, sie müsse sie entdecken, um eine groÃe Sängerin zu werden. Wie recht die gute Madame gehabt hatte. Die Gefühle, die sie mittlerweile zum Ausdruck bringen konnte, brachten ihr Publikum zum Weinen. Nachts vergoss Etty manchmal selber Tränen, wenn der Gedanke an Darcy sie nicht einschlafen lieÃ. Sie hatte die feste Absicht, nach Australien zurückzukehren, sobald ihr Jahresvertrag ausgelaufen war.
Obwohl sie von Darcy keine Antwort auf ihre Bitte bekommen hatte, ihr dieses eine Jahr zu gewähren, redete sie sich ein, dass sie sich nur wiederzusehen brauchten, und alles wäre gut. Ihre Opernkarriere würde sie zwar niemals aufgeben, doch sie stellte sich ein gemeinsames Leben mit Darcy in Melbourne vor, wo er seine juristischen Interessen verfolgen könnte. Sie schuf sich den Traum von einer idyllischen Ehe, in den sie sich immer tröstend flüchtete, wenn sie an das wütende Schweigen dachte, mit dem Darcy aus ihrem Haus gestürmt war.
Mitte Januar, als das Jahr, um das sie Darcy gebeten hatte, vergangen war, begannen Etty und Alistair ihre Rückkehr nach Australien zu planen.
Signor Ruggeiri versicherte Etty, wie sehr man sie vermissen werde, dann schockierte er sie mit den Worten: »Aber Sie werden uns jetzt ohnehin noch nicht verlassen. Sie gehen mit dem Ensemble nach Amerika.«
»Amerika! Signore, ich gehe zurück nach Australien. Ich habe meine Heimkehr bereits um zwei Monate hinausgeschoben, als ich mich bereit erklärt habe, die Wintersaison noch an der Scala zu bleiben.«
»Was sind denn schon ein paar Monate mehr? Etty, bella mia, der Veranstalter, der alles organisiert hat, hat auf Henrietta Trevannick bestanden. Ihr Ruhm ist sogar schon bis über den Atlantik gedrungen. Die Amerikaner schreien danach, sie zu sehen.«
Etty fühlte sich hin- und hergerissen. Sie hatte sich sehr darauf gefreut, nach Australien zurückzukehren, und schon ungeduldig auf die Abreise gewartet. Die vergangenen zwölf Monate waren für sie voller unvergesslicher Erlebnisse gewesen. Sie hatte ihren und Madames Traum erfüllt, an der Mailänder Scala zu singen. Sie hatte die bedeutendsten Städte Europas besucht. Doch ihr Herz gehörte Australien, dem Land, in dem sie geboren war.
Alistair beobachtete sie, und als sie ihn Rat suchend ansah, signalisierte er mit einem leichten Schulterzucken, dass es ihre Entscheidung sei. Signor Ruggeiri beobachtete ebenfalls die widerstreitenden Gefühle in ihrem Gesicht.
Sie hob hilflos die Arme. »Ich weià nicht,
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