Lied des Schicksals
Signore. Ich habe mich so sehr darauf gefreut, nach Hause zu fahren.«
»Ihr Zuhause läuft Ihnen nicht weg. Ich brauche Sie, bella mia. Ohne Sie findet die Amerika-Tournee vielleicht gar nicht statt.«
»Darf ich das erst mit Alistair besprechen, bevor ich eine Entscheidung treffe?«
»Wenn Sie versprechen, dass Sie mir heute Nachmittag eine Antwort geben.«
»Das verspreche ich.«
»Was meinst du, was ich tun soll?« Sie saÃen in ihrem Lieblingsrestaurant und aÃen ihr geliebtes Mailänder Schnitzel. Auf dem Weg dorthin hatten sie geschwiegen, weil Etty zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt war, um sich zu unterhalten.
»Willst du meine ehrliche Meinung hören?«
»Deine Meinungen sind immer ehrlich, Alistair. Deshalb schätze ich sie ja so sehr.«
Er lächelte vage über dieses Kompliment. »Ich denke, du solltest nach Amerika gehen.«
Etty nickte leicht, denn auch sie freundete sich immer mehr mit diesem Gedanken an.
»Signor Ruggeiri ist gut zu dir gewesen, Etty. Er hat dir die Tür zum Ruhm geöffnet. Ich meine, dass du ihm ein wenig Dankbarkeit schuldest. AuÃerdem«, fügte er grinsend hinzu, »würde ich auch gern Amerika kennenlernen.«
»Ja, und es wäre ja auch nur für zwei Monate. Mitte des Jahres können wir wieder zu Hause sein.«
Etty musste jedoch erfahren, welchen Preis sie für den Ruhm zu zahlen hatte. Ihr Leben gehörte nicht mehr ihr. Entscheidungen über ihre Zukunft konnte sie nicht mehr selber treffen. Zwar gehörte sie mit dem Ende der Amerika-Tournee nicht mehr zum Opernensemble, doch dafür war Alistair in seiner Rolle als Manager äuÃerst aktiv gewesen. Von Amerika aus würden sie sofort nach England gehen. Auf die Saison in London würde eine ausgedehnte Tour über den Kontinent bis hin nach Russland folgen, und danach würden sie nach Mailand zurückkehren. Etty wurde überredet, nicht ihre Zukunft bei der Oper aufs Spiel zu setzen, indem sie nach Australien zurückkehrte, wo doch ganz Europa sie singen hören wollte.
Als Weihnachten und auch Neujahr vorübergingen, ohne dass er ein Wort von Etty gehört hatte, nagte die Verbitterung an Darcy wie ein Krebsgeschwür. Da er ohnehin zu Jähzorn neigte, konnte schon die kleinste Verstimmung bei ihm einen Wutanfall auslösen. Sein Cousin Harry, für den das Leben auf einer Farm etwas völlig Neues war, bekam am häufigsten Darcys Launen zu spüren, bis er sich schlieÃlich wehrte und Darcy einen Kinnhaken verpasste.
AuÃer sich vor Zorn schlug Darcy zurück. Nun ging die Prügelei erst richtig los. Darcy musste seine Meinung, dass Harry ein verweichlichter Stadtmensch sei, rasch revidieren. Harry wusste, wie man kämpfte, und teilte genauso viele Schläge aus, wie er einsteckte. Sie kämpften, bis sie beide nur noch taumelten, bis jeder Schlag den anderen umwarf. Erst als sie beide keuchend, blutbeschmiert und voller Blessuren auf dem Boden lagen und keine Energie mehr hatten aufzustehen, endete der Kampf.
Als Darcy sein geschwollenes Auge öffnete, sah er Nelson, die Hände in die Hüften gestützt, wütend auf ihn herabstarren. »Auf die Beine mit dir. Du auch, Harry.« Die beiden jungen Männer rafften sich mit schmerzverzerrter Miene auf. »Gebt euch die Hand und hört mit diesem Unsinn auf. Du prügelst dich viel zu gern, Darcy.«
Darcy rieb sich sein schmerzendes Kinn. »Harry hat angefangen.«
»Ich weiÃ. Ich hab euch von Anfang an beobachtet.«
Die jungen Männer sahen sich an und blickten dann wieder zu Nelson. »Warum hast du uns denn nicht aufgehalten?«, fragte Darcy.
»Weil du mal einen Denkzettel nötig hattest. Du hast Harry die ganze Zeit schon schikaniert â jawohl, schikaniert«, wiederholte er, als Darcy protestieren wollte. »Mir war klar, dass Harry sich das nicht mehr lange bieten lassen würde. AuÃerdem habe ich gewusst«, fuhr er mit einem ironischen Grinsen fort, »dass Harry in Adelaide Boxsport betrieben hat.«
Darcy starrte Harry fassungslos an. »Du hinterlistiger Dreckskerl.« Dann lachte er, weil man ihn so richtig reingelegt hatte. »Aber du hast mich nicht besiegt.« Er streckte die Hand aus, und Harry schüttelte sie.
»Jetzt wirst du wohl deine schlechte Laune nicht mehr an mir auslassen.«
»Eher nicht.« Nun lachten sie beide zusammen, und damit
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