Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied des Schicksals

Lied des Schicksals

Titel: Lied des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merice Briffa
Vom Netzwerk:
mir. Ich hoffe, dass es mir gelingen wird, Studien an den Aborigines durchzuführen unter besonderer Berücksichtigung der Frage, inwieweit eine vollständige Integration in die weiße Gesellschaft möglich ist. Anschließend würde ich gerne einen wissenschaftlichen Aufsatz über meine Erkenntnisse schreiben.«
    Â»Mit anderen Worten«, stellte Nelson mit einem leicht spöttischen Unterton fest, »Sie möchten unsere Familie als Fallbeispiel dafür benutzen, wie man Aborigines zu gebildeten Menschen erziehen kann.« Er warf einen kurzen Blick zu seiner Frau, die mit einem Hochziehen der Augenbrauen und einem leichten Schürzen der Lippen antwortete. Jeder der beiden wusste, was der andere dachte, so sehr stimmten sie in allem überein.
    Â»Genau.« Boniface ließ sich so sehr von seiner Begeisterung mitreißen, dass er den Zynismus von Darcys Eltern gar nicht spürte. »Ich bin sicher, dass viele Ethnologen verblüfft über Ihre Familie sein werden. Deshalb würde ich Darcy gerne sozusagen unter meine Fittiche nehmen.«
    Jane runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass wir Ihnen bei Ihrem … Projekt behilflich sein können, Mr Boniface. Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass Darcy kein vollblütiger Aborigine ist.«
    Diese Feststellung brachte Mr Boniface offenbar so sehr aus dem Konzept, dass er nicht in der Lage war zu antworten. Mit tief gerunzelter Stirn betrachtete er die Familie am Tisch.
    Â»Darcys Vater war ein Weißer«, erklärte Jane.
    Â»Und meiner auch«, fügte Nelson hinzu.
    Â»Ach ja, ich verstehe.« Boniface wünschte, er hätte sich bei seiner Gastgeberin gründlicher nach Darcy und seinen Eltern erkundigt. Er wusste nicht, wie er fortfahren sollte. Vielleicht hatte er diesen Leuten eine furchtbare Beleidigung zugefügt. War die Frau ebenfalls ein Mischling? Er war erleichtert, als die unausgesprochene Frage beantwortet wurde.
    Â»Ich bin eine vollblütige Aborigine, Mr Boniface.«
    Â»Mr Boniface«, sagte Nelson, »wir wollen Ihre Ideen und Vorschläge nicht sogleich verwerfen. Ich muss Ihr Angebot jedoch zunächst allein mit meiner Frau bereden.«
    Â»Was gibt es da zu bereden?«, fragte Darcy aufmüpfig, wurde jedoch sofort durch einen strengen Blick seines Stiefvaters zum Schweigen gebracht. Dieser stand nun auf, um dem Lehrer anzudeuten, dass er das Gespräch als beendet betrachtete. Mr Boniface verabschiedete sich mit der Bitte an die Familie, sein Angebot sorgsam zu überdenken.
    Darcy hielt sich so lange zurück, bis die Tür hinter ihrem Besucher geschlossen war. Als er mit seiner Mutter sprach, war er kaum in der Lage, den Zorn in seiner Stimme zu unterdrücken. »Warum hast du Mr Boniface nicht zugesagt? Du weißt doch, wie gern ich mehr lernen will.«
    Â»Beruhige dich, Darcy. Dein Vater und ich wissen, dass du weiter lernen möchtest. Wir müssen nur ganz genau wissen, aus welchem Grund Mr Boniface unbedingt dein Tutor werden will.«
    Â»Das hat er euch doch gesagt. Er weiß, dass Aborigines genauso intelligent sind wie Weiße.«
    Â»Ganz genau so hat der Mann das aber nicht gesagt, Darcy.« Nelsons Spott war für seinen Stiefsohn unüberhörbar. »Dieser Lehrer will der Welt zeigen, dass wir trotz unserer Hautfarbe Intelligenz besitzen. Wir möchten aber nicht, dass du irgendwelchen Wissenschaftlern in England oder sonst wo auf der Welt als Kuriosität vorgeführt wirst.«
    Â»Mich braucht niemand der Welt ›vorzuführen‹«, entgegnete Darcy wütend. »Lasst mich nur genügend lernen, dann beweise ich der Welt, wie klug ich bin.«
    Nelson blieb ungerührt. »Das sind leidenschaftliche Worte, mein Sohn. Arrogante Worte. Aber sei doch vernünftig! Denk mal richtig nach! Was willst du mit der ganzen Schulbildung einmal anfangen, Darcy? Das Einzige, worauf du im Leben hoffen kannst, ist ein guter Job auf einem Anwesen wie Langsdale. In einer Stadt könnten wir niemals so angenehm leben. Wir wären Außenseiter. Sei stolz auf deine Herkunft, Darcy, aber erwarte nicht von der weißen Welt, dass sie dich als Gleichberechtigten akzeptiert.«
    Â»Vielleicht bringe ich sie dazu, mich zu akzeptieren.« Voller Wut, die ihn in letzter Zeit immer rasch packte, stürmte er aus dem Zimmer, ohne auf die flehentlichen Worte seiner Mutter zu hören oder sich um den scharfen Tadel seines Stiefvaters zu

Weitere Kostenlose Bücher