Lied des Schicksals
er sich eine zu schwierige Aufgabe vorgenommen hatte. WeiÃe, die sich dafür aussprachen, den Aborigines Zugang zu Schulbildung zu ermöglichen, waren in den Kolonien eine verschwindende Minderheit. Die meisten glaubten, dass die Aborigines in den Reservaten gut aufgehoben seien, die für sie eingerichtet wurden. Die Viehzüchter erwarteten, dass Aborigine-Männer auf ihren Farmen im Tausch gegen Essen, Tabak und Kleidung arbeiteten.
Selbst Con Trevannick, der Darcys Familie voll und ganz akzeptierte, bezahlte seine Aborigine-Schäfer mit Tee, Mehl, Zucker, Tabak und Ãhnlichem. Boniface hatte sich mal mit Trevannick und Nelson über das Thema Aborigine-Arbeiter unterhalten. Ihn hatte besonders interessiert, wie zuverlässig die Aborigines waren und wie schnell sie ihre Aufgaben erlernten. Con Trevannick war voll des Lobes über seine Männer gewesen.
»Meine Aborigine-Schäfer sind zuverlässiger als die wenigen weiÃen Männer, die ich ab und zu eingestellt habe. Es sind gute und vernünftige Arbeiter. Oft habe ich das Gefühl, dass ich ihnen den gleichen Lohn geben sollte, den ich einem WeiÃen zahlen würde.«
Nelson war anderer Meinung. »Wenn Sie das tun, würden Sie nur Ãrger kriegen. So etwas würde sich rasch auf den anderen Farmen herumsprechen. Sie würden sich den Zorn aller anderen Viehzüchter zuziehen, weil deren Aborigines dann den gleichen Lohn fordern würden.«
»Das ist wahr. Mit diesen Ãberlegungen habe ich mich auch schon herumgeschlagen, Nelson. Tatsache ist, Boniface, dass nur wenige Viehzüchter ohne die Arbeit der Aborigines überleben könnten.«
»Sie behandeln Ihre Arbeiter fair und geben ihnen groÃzügige Zuteilungen«, erklärte Nelson. »Auf manchen Farmen werden die Aborigines nicht mal halb so gut behandelt wie auf Langsdale. Lassen Sie alles so, wie es ist, Boss.«
Als das Thema eines Abends nach dem Essen nochmals zur Sprache kam, räumte selbst Mr Boniface ein, dass Nelson recht hatte. Durch seine eigenen Beobachtungen und Forschungen sowie aufgrund seiner Bekanntschaft mit der Aborigine-Familie auf Langsdale hatte er eine klare Vorstellung von den Problemen, mit denen die Ureinwohner des Landes zu kämpfen hatten. Mittlerweile verstand er auch, dass Darcys Familie tatsächlich einzigartig war. Nur sehr wenige Mischlinge wurden genauso akzeptiert und behandelt wie WeiÃe.
Auch wenn er es für sich behielt, hoffte er immer noch, dass Nelson und Jane ihm eines Tages die Erlaubnis geben würden, ihre Geschichte in der Abhandlung zu verwenden, an der er schrieb. Bisher war er noch auf keine weiteren Menschen mit Aborigine-Abstammung gestoÃen, die einen vergleichbaren Bildungsstand erreicht hatten. Er setzte seine ganzen Hoffnungen auf Darcy.
Und Darcy setzte seine ganzen Hoffnungen auf Mr Boniface. Selbst wenn er in der Aufnahmeprüfung Spitzennoten erzielte, würde er immer noch einen einflussreichen Fürsprecher brauchen, damit man ihn tatsächlich aufnahm. Er war dankbar, dass Mr Boniface bereits Schritte unternommen hatte, um ihm den Weg zu ebnen.
Mitte Januar fuhr Mr Boniface zurück nach Melbourne. Jetzt blieben noch drei Wochen, bis Ruan zur Schule und Etty nach Adelaide zurückkehren würden. Die vier Freunde verbrachten so viel Zeit zusammen wie möglich. Die schreckliche Erfahrung, beinah von dem Buschfeuer eingeschlossen worden zu sein, hatte ihre Beziehung noch enger werden lassen. Sie vertrauten sich ihre Hoffnungen und Träume mit einer Offenheit an, wie sie das als kleine Kinder getan hatten.
Ruan wünschte sich sehnlichst, dass die nächsten drei Jahre schnell vergehen mochten. »Meine Eltern bestehen darauf, dass ich zur Schule gehe, bis ich siebzehn bin«, beklagte er sein Schicksal. »Du hast ja so ein Glück, Darcy.«
Darcy riss einen Grashalm aus und kaute darauf herum. »Inwiefern habe ich Glück?«
»Du brauchst nicht nach Melbourne und musst nicht diesen ganzen blöden Schulkram lernen.«
»Lernen ist nicht blöd«, protestierte Louisa. »Eines Tages wirst du dankbar sein, eine gute Schulbildung zu haben.«
»Ich muss doch bloà wissen, wie man die Farm leitet, wenn ich sie eines Tages von meinem Vater übernehme.«
»Das wirst du alles noch lernen, wenn du erst mal mit der Schule fertig bist«, sagte Louisa. »Jetzt erzähle ich euch ein Geheimnis.« Sie hielt lächelnd
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