Lied des Schicksals
Eltern dir die Reise nicht erlauben.«
»Ich will Alistair nicht heiraten und er mich auch nicht.«
»Vielleicht solltest du mal ernsthaft darüber nachdenken. Ich mag Alistair, und irgendwann musst du sowieso heiraten.«
»Ich sehe nicht ein, weshalb ich unbedingt heiraten muss. AuÃerdem hast du Darcy vergessen.«
Ruan schnaubte verächtlich. »Darcy wird dich niemals heiraten. Du bist dumm, wenn du glaubst, dass er das tut.«
Etty ärgerte sich über die abschätzigen Worte ihres Bruders. »Du hast ja keine Ahnung, Ruan. Seit dem Buschfeuer haben Darcy und ich eine Abmachung. Wir haben uns versprochen, aufeinander zu warten.«
Ruan schnaubte noch lauter. »Du meinst, dass Darcy so lange auf dich warten soll, bis du die Nase voll von Ruhm und Reichtum hast. Nach allem, was ich höre, ist er auf Riverview ganz glücklich. Er wird ein Mädchen heiraten, das mit dem Leben auf einer Schaffarm zufrieden ist.« Er schüttelte den Kopf, als Etty ihm widersprechen wollte. »Du würdest dich niemals mit so einem Leben abfinden. Jetzt nicht mehr.«
Etty schwieg, weil sie wusste, dass ihr Bruder recht hatte. Andererseits liebte sie Darcy immer noch und wünschte sich so sehr, dass er sie auch immer noch liebte. An diesem Abend schrieb sie ihm einen langen Brief und erzählte ihm von ihrem Leben, ihren Hoffnungen und Träumen. Sie beendete den Brief mit den Worten:
Du bist mir immer noch sehr wichtig, und ich hoffe, dass ich Dir das auch bin.
Liebe GrüÃe
Deine Freundin Etty
Nachdem sie ihren Stift hingelegt hatte, fragte sie sich, ob Liebe GrüÃe, deine Freundin Etty die richtigen Worte gewesen waren. Den Brief einfach nur mit ihrem Namen zu unterschreiben wäre ein zu abruptes Ende, doch eine intimere Formulierung wie Dein Schatz Etty schien ihr auch nicht angemessen, da sie nicht wusste, was er augenblicklich für sie empfand. Wenn er antwortete, würde sie wissen, ob sein Herz noch für sie schlug. Damit tröstete sie sich.
Etty nahm den Brief mit, als sie am nächsten Tag in die Kutsche nach Bendigo stieg. Von dort aus würde sie mit einer anderen Kutsche weiter nach Swan Hill fahren. Wenn sie den Brief in Swan Hill aufgab, erreichte er Darcy wahrscheinlich eher, als wenn sie ihn in Creswick abgeschickt hätte.
Jack Benedict, der mittlerweile fast eins achtzig groà war, war mit Louisa nach Swan Hill gekommen, um Etty abzuholen. Die beiden Mädchen umarmten sich herzlich und vergossen aus Freude über das Wiedersehen sogar ein paar Tränen.
Louisa trat einen Schritt zurück, um Ettys modisches Reisekleid aus weichem beigefarben kariertem Wollstoff zu bewundern. Es bestand aus einem dreifachen Rock mit Rüschen und einem eng anliegenden Oberteil. »Wie schön du aussiehst, selbst nach einer so langen Kutschfahrt. Meine Güte, Etty, du bist jetzt eine richtig modische junge Dame. Und ich sehe noch genauso aus wie immer, habe mich überhaupt nicht verändert. Neben dir komme ich mir ganz unscheinbar vor.«
»Unsinn, Louisa. Du hast dich schon verändert. Du siehst erwachsener aus, selbstbewusster.« AuÃerdem fiel Etty auf, auch wenn sie es nicht sagte, dass Louisa mit ihrem goldenen Haar und den auffälligen blauen Augen immer hübscher wurde.
»Wenn ich mich tatsächlich so verändert habe, wie du sagst, muss das daran liegen, dass ich mit der ganzen Buchhaltung für die Farm eine groÃe Verantwortung habe.« Sie hakte Etty ein, während sie Jack folgten, der Ettys Gepäck trug. »Was hältst du von Jack? Ma behauptet, er wäre fünfzehn Zentimeter gewachsen, seit wir auf Narabulla sind.«
»Ich glaube, da hat Tante Agnes recht. Oh, ich bin ja so froh, wieder bei dir zu sein, Louisa. Und ich freue mich so sehr, euer neues Zuhause und die ganze Familie zu sehen.«
»Ich wünschte, du könntest länger bleiben als nur zwei Tage.«
»Ich muss am Samstag zurück nach Melbourne. Man hat mich nur kurz von der Arbeit beurlaubt.«
»Arbeit! Wie kannst du dein glanzvolles Leben als Arbeit bezeichnen?«
Etty lachte. »Mein Leben ist nicht nur Glanz. Da steckt auch eine Menge harter Arbeit dahinter. Neue Opernpartituren lernen, Ãbungsstunden, Bühnenproben, Kostümanproben. Manchmal bin ich morgens so müde, dass ich am liebsten den ganzen Tag im Bett bleiben würde, statt zur Probe zu gehen.«
»Aber du würdest doch dein
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