Lied des Schicksals
erfährt, für den Fall, dass man mich ablehnt. Der Signor ist noch sparsamer mit Lob als Madame. Ich habe erst vor zwei Tagen die gute Nachricht erhalten, dass ich in das Ensemble aufgenommen werde. Und da bin ich sofort nach Hause gefahren, um es euch persönlich zu sagen, anstatt euch einen Brief zu schreiben.«
»Zumindest damit hast du eine gewisse Rücksicht deinen Eltern gegenüber bewiesen«, räumte Meggan ein, auch wenn sie keineswegs besänftigt war.
»Bitte, Mama. Papa und du, ihr dürft mich nicht daran hindern zu gehen.« Sie bettelte so, wie sie es als Kind getan hatte, wenn sie ihren Willen durchsetzen wollte. »Ich habe mein ganzes Leben davon geträumt, eine groÃe Sopranistin zu werden.« Sie kniete sich vor ihre Mutter und ergriff beschwörend ihre Hände. »Mama, ich könnte ja deine Bedenken verstehen, wenn ich nur in der Hoffnung nach Ãbersee ginge, dass ich in ein Ensemble aufgenommen werde. Aber das ist nicht der Fall. Meine Zukunft ist gesichert.«
Meggan löste eine Hand und streichelte ihrer Tochter über die Wange. Sowohl ihr Herz als auch ihr Verstand waren aufgewühlt. Sie konnte die Leidenschaft, die Etty trieb, gut verstehen. War es bei ihr nicht genauso gewesen â bis sie sich verliebt hatte? Wenn Etty sich verlieben und heiraten würde, dann würde es ihr vielleicht genügen, in Australien zu bleiben.
»Wie geht es Alistair?«, fragte Meggan, sobald ihr der Gedanke kam, dass Etty vielleicht heiraten könnte.
Etty stand abrupt auf. »Willst du das Thema wechseln?« Sie entfernte sich ein paar Schritte, bevor sie ihre Mutter wieder ansah. Sie hatte die Augenbrauen so zusammengezogen, dass all ihre Opernkollegen sofort ihren Unmut erkannt hätten. Als ihre Mutter zu dem Vorwurf keine Stellung nahm, zuckte Etty mit den Schultern. »Alistair geht es gut.«
»Hast du ihn sehr gerne, Liebes? Ich habe doch gesehen, wie gut ihr euch versteht.«
Etty kniff die Augen zusammen. »Was willst du damit sagen, Mutter?« Das Wort »Mutter« klang so spitz wie die Stacheln eines Ameisenigels.
Meggan ignorierte Ettys gereizte Reaktion. »Als verheiratete Frau bräuchtest du nicht die Erlaubnis deiner Eltern, um reisen zu können.«
»Verheiratet!« Sie lachte verächtlich. »Willst du etwa, dass ich Alistair heirate?«
»Warum nicht? Dein Vater und ich halten ihn für einen äuÃerst passenden jungen Mann. Er wird deine Karriere unterstützen, wohingegen ein anderer Mann vielleicht nicht will, dass seine Frau auf der Bühne steht. Seit dem Tag, an dem ihr euch kennengelernt habt, seid ihr gute Freunde.«
»Genau, Mama. Alistair und ich sind gute Freunde. Wir sind kein Liebespaar.«
»Ich wollte nicht unterstellen â¦Â«
Etty schüttelte abschätzig den Kopf. »Ich weiÃ, dass du das nicht wolltest«, erklärte sie unwirsch. »Vielleicht sollte ich besser sagen, dass wir nicht verliebt sind. Nicht so wie Eheleute es sein sollten. Alistair ist für mich wie ein Bruder.«
»Viele gute Ehen beruhen auf sehr viel weniger Zuneigung.«
»Eine solche Ehe will ich nicht. Ich will meinen Mann lieben, so wie du und Papa euch liebt.«
Meggan schenkte ihrer Tochter ein warmes Lächeln. »Jede Frau wünscht sich Liebe, Etty, doch nur wenige finden die perfekte romantische Liebe. Dein Vater und ich haben groÃes Glück gehabt. Liebenswürdigkeit und Rücksicht von einem Mann, den man gerne hat, ist sehr viel mehr, als viele Frauen in der Ehe erleben.«
»Kann schon sein. Bloà gibt es bei deinem Vorschlag, dass ich Alistair heiraten soll, ein kleines Problem. Alistair müsste mich ja auch heiraten wollen, und ich weiÃ, dass er das nicht tut.«
Das machte Meggan neugierig. »Habt ihr denn schon einmal über eine Heirat gesprochen?«
»Nicht so, wie du das hoffst«, sagte Etty spöttisch.
Meggan beschloss, den Tonfall ihrer Tochter zu ignorieren. »In welcher Weise habt ihr denn übers Heiraten gesprochen?«
»Ganz allgemein im Laufe eines Gesprächs.«
»Ich fände es schön, wenn ihr mal weniger allgemein über das Thema sprechen würdet. Alistair wäre uns als Schwiegersohn auf jeden Fall willkommen.«
Doch Etty kniff die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Ohne genau zu verstehen, wie so etwas sein konnte, wusste Etty, dass Alistair nie heiraten würde.
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