Lied des Schicksals
war, denn ihr Brief würde immer noch den Murray hinunter unterwegs sein. Wenn Darcy ihn erhielt, würde sie bereits auf dem Weg nach Adelaide sein.
13
W ährend Darcy mit einem Raddampfer nach Swan Hill reiste, war Ettys Brief auf einem anderen Dampfer in die entgegengesetzte Richtung unterwegs. Wie immer in müÃigen Momenten kreisten seine Gedanken um Etty, und er fragte sich, was sie wohl gerade tun mochte. Da er nichts weiter zu tun hatte, als zu beobachten, wie das Flussufer vorbeiglitt, dachte er während der Fahrt von Riverview nach Swan Hill sehr oft an sie.
Er liebte Etty immer noch, würde sie immer lieben. Wenn sie beide auf Langsdale geblieben wären, hätten sie irgendwann geheiratet, da war er sich ganz sicher. Doch ihre Wege hatten sich getrennt. Seit er die Sopranistin Henrietta Trevannick, den Liebling der Melbourner Gesellschaft, auf der Bühne gesehen hatte, eine Frau, die in einer Welt gefeiert wurde, die ihm so fremd war wie ein unbekanntes Land, wusste er, dass er ihr nie seine Liebe erklären würde.
Als der Dampfer den Zusammenfluss von Darling und Murray River passierte und Swan Hill nur noch drei Tagesreisen entfernt war, nahm er sich fest vor, nicht immer nur an Etty zu denken und an niemand anders. Bisher hatte er nur wenig mit den anderen Passagieren auf der Lady Jane gesprochen. Wenn ihm nach Gesellschaft war, plauderte er ein wenig mit Captain Trevannick, der irgendwie mit den Trevannicks auf Langsdale verwandt war und sich deshalb für alle Neuigkeiten interessierte, die Darcy zu erzählen hatte.
Zu den Passagieren an Bord gehörten eine Witwe mittleren Alters, die zu ihrer Schwester nach Swan Hill fuhr, eine fünfköpfige Familie, die in Bendigo ein neues Leben anfangen wollte, sowie zwei weitere Männer. Einer davon sah aus wie ein Herumtreiber, was er auch war. Er reiste durchs Land und nahm hier und da einen Job an, wie es ihm gerade passte. Auch er hielt sich für sich und vergnügte sich anscheinend lieber mit seiner Flasche Rum als mit seinen Mitreisenden.
Der andere Mann, von dem Darcy wusste, dass er Mr Williams hieÃ, war wie ein feiner Herr gekleidet. Auch seine Umgangsformen waren die eines Gentleman, und seiner Sprache konnte man anhören, dass er eine ausgezeichnete Bildung genossen hatte. Er sah aus wie knapp über dreiÃig, konnte aber auch etwas jünger sein. Von Statur war er eher klein und vielleicht ein bisschen übergewichtig. Sein Gesicht konnte man ebenso wie sein mausgraues Haar und seinen mausgrauen Schnurrbart nur als unscheinbar beschreiben. Insgesamt also eine äuÃerst unauffällige Person.
Wie Darcy unterhielt er sich mit seinen Mitreisenden nur, so weit es die Höflichkeit erforderte. Ãber sich selbst gab er so gut wie nichts preis. Erst einen Tag vor der Ankunft in Swan Hill stellte Darcy fest, dass der Mann Anwalt war. Ihm war der Titel eines Buches aufgefallen, das der Mann las.
Während Darcy über diese unerwartete Entdeckung nachdachte und sich fragte, ob er sein Interesse an der Juristerei erwähnen sollte, fiel Williams auf, dass er beobachtet wurde. Er legte sein Buch zur Seite und sagte lächelnd: »Sie scheinen sich für mich zu interessieren.«
Darcy entschuldigte sich sofort. »Tut mir leid. Mir war nicht bewusst, dass ich Sie angestarrt habe. Sind Sie Anwalt?«
»Das bin ich. Warum fragen Sie? Brauchen Sie einen?«
»Nein, nein. Jedenfalls nicht so, wie Sie das gemeint haben.«
»Wofür sollte man denn sonst einen Anwalt brauchen, wenn nicht zur Unterstützung bei juristischen Problemen?«
Statt zu antworten, stellte Darcy eine weitere Frage. »Würden Sie jemanden als Mitarbeiter einstellen, der ein halber Aborigine ist?«
Williams zog eine Augenbraue hoch und schürzte die Lippen. »Sie sind selbst zur Hälfte Aborigine, nicht wahr?«
»Ja. Mein Vater war WeiÃer, meine Mutter eine Aborigine.«
»Sie sprechen, als hätten Sie eine ganz gute Bildung erhalten«, stellte er mit einem fragenden Unterton fest.
»Ich habe Unterricht bekommen«, gab Darcy zu. »Ich studiere die Gesetze«, fügte er hinzu, nachdem er zu dem Schluss gekommen war, dass Williams offenbar nicht zu den bornierten Menschen gehörte.
Der Mann mochte zwar nicht borniert sein, aber er war doch sehr überrascht. »Wie interessant. Jetzt verstehe ich Ihre Frage von vorhin. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir mehr
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