Lied des Schicksals
Ellbogen auf den Tisch gestützt und den Kopf auf ihre Hände gelegt.
»Wie lange ist es jetzt her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?«, fragte sie und gab sich die Antwort gleich selbst. »Vor zehn Monaten bist du mit deinen Eltern nach Riverview gegangen. Warum bist du nicht mit Tante Jane und Nelson zurückgekommen?«
»Sie haben mich nicht gebraucht, um den Kauf von Riverview in die Wege zu leiten. Deshalb bin ich lieber dort geblieben, um gleich mit der dringend notwendigen Arbeit anzufangen.«
»War das Anwesen sehr heruntergekommen?«
»Ich habe noch nie eine Farm in einem schlimmeren Zustand gesehen. Meine Mutter war sehr traurig, weil alles so verwahrlost war. Sie hat mir erzählt, dass es früher ein blühendes Anwesen mit einem stattlichen Haus und schönen Gärten war. Wir haben sechs Monate gebraucht, bevor sie das Gefühl hatte, dass alles wieder so hergerichtet war wie damals, als sie dort gelebt hat.«
»Kannst du dich an irgendwas von damals erinnern?«
Darcy schüttelte den Kopf. »Nein. Manchmal kommen mir Bilder in den Sinn, und ich meine, mich an einen bestimmten Ort zu erinnern oder an etwas, was dort passiert ist, aber das sind keine echten Erinnerungen.«
Als Darcy mit dem Essen fertig war, führte Louisa ihn auf der Narrabulla-Farm herum. Sie plauderten und lachten wie enge Freunde, die zu lange getrennt gewesen waren. Louisa erzählte ihm von Ettys jüngstem Besuch.
»Du solltest sie mal sehen, Darcy. Sie ist so modisch angezogen und so schön. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie viele Verehrer hat.«
»Sie hat sich bestimmt sehr verändert und ist nicht mehr die Etty, die wir gekannt haben.« Darcys Herz schlug schneller. Er wollte sich nicht vorstellen, wie fremde Männer seiner Etty den Hof machten. Seiner Etty? Nein, nicht mehr seine Etty. War ihm das nicht schon vor über einem Jahr klar geworden?
»Als ich sie aus der Postkutsche habe steigen sehen, so schön und elegant, da hab ich gedacht, dass sie sich bestimmt verändert hat, dass sie total von sich selbst eingenommen sein muss. Erinnerst du dich, wie überheblich sie manchmal sein konnte, als wir noch jünger waren? Aber so ist sie jetzt überhaupt nicht mehr. Ich glaube, dass der Erfolg sie zu einem viel netteren Menschen gemacht hat.«
»Du warst schon immer sehr freundlich, Louisa.«
»Und du bist ein Charmeur, Darcy Winton. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dass du hier bist. Kannst du wirklich nur einen Tag bleiben?«
Obwohl das seine ursprüngliche Absicht gewesen war, blieb Darcy auf Larrys Einladung schlieÃlich doch mehrere Tage in Narrabulla. Wenn er nicht gerade mit Larry über das Farmgelände ritt oder mit Jack angeln ging, verbrachte er die meiste Zeit mit Louisa. Jedem Gespräch über Etty wich er erfolgreich aus. Er war zwar ehrlich genug, sich einzugestehen, dass er eifersüchtig war, sagte sich aber gleichzeitig, dass er seine gesamte Aufmerksamkeit Louisa schenken sollte, die besser zu einem Landmenschen wie ihm passte als Etty.
Erst kurz vor seiner Abreise erzählte er Louisa von dem Anwalt Mr Williams.
»Ich wollte es eigentlich niemandem sagen. Irgendwie hab ich die verrückte Idee, wenn ich über meine Hoffnungen rede, werden sie sich nicht erfüllen. AuÃerdem hat Williams mir ja nicht gerade eine Stelle angeboten.«
»Aber das ist ja ungeheuer spannend für dich, Darcy. Dieser Mr Williams hat sich anscheinend sehr für dich interessiert. Ich bin ja so froh, dass du es mir anvertraut hast. Dein Vertrauen ehrt mich sehr, und ich verspreche, dass ich niemandem davon erzählen werde, wenn du es nicht willst.«
»Ich möchte, dass es unser Geheimnis bleibt. Nur du und ich sollen davon wissen.«
»Dann soll es auch so sein.«
Ihr persönliches Geheimnis, ihre Liebe zu Darcy, vertraute sie ihm nicht an. Dafür war der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommen. Trotz der Art und Weise, wie er reagierte, sobald der Name Etty fiel, oder vielleicht gerade deswegen, glaubte sie, dass er Etty immer noch liebte. Auch hatte sie ihm nichts von Ettys Plänen erzählt, nach Italien zu gehen. Das würde er früh genug von Tante Meggan erfahren.
Die Trevannicks hieÃen ihn auf Langsdale genauso herzlich willkommen, wie es die Benedicts auf Narrabulla getan hatten. Hier hatte man jedoch mit seiner Ankunft gerechnet, und er war
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