Lieder von Sternen und Schatten
die sich daraus ergebenden Verkehrsstockungen haben praktisch sämtliche Ausfallstraßen verstopft. Viele haben ihre Autos stehenlassen und versuchen die Stadt zu Fuß zu verlassen. Hubschrauber der Großstadt-Sondereinheiten haben sich bemüht, die Unruhen zu dämpfen, und die Bevölkerung angewiesen, in ihre Häuser zurückzukehren.
Und Präsident Hartmann selbst hat angekündigt, daß er die Absicht hat, den Menschen in der Stadt ein Beispiel zu geben und für die Dauer der Krise im Weißen Haus zu bleiben.«
Die Szenen aus Washington wurden ausgeblendet. Warren blickt vor der Kamera kurz zur Seite.
»Man hat mir eben gesagt, daß Ward Emery in Chicago mit Mitchell Grinstein, dem Vorsitzenden der kommunalen Verteidigungsmiliz der ALF, spricht. Wir schalten nach Chicago.«
Grinstein stand im Freien, auf den Stufen eines grauen Gebäudes, das einer Festung glich. Er war groß und breit, mit langen, schwarzen Haaren, die hinten zusammengebunden waren, und einem weit herabhängenden Fu Man Chu-Schnurrbart. Er trug eine ausgebeulte schwarze Uniform, ein schwarzes Barett und an einer Rohlederschnur eine ALF-Plakette. Zwei andere Männer, ähnlich gekleidet, standen hinter ihm auf den Stufen. Beide trugen Gewehre.
»Ich stehe hier bei Mitchell Grinstein, dessen Organisation beschuldigt worden ist, an dem heutigenÜberfall auf einen Luftstützpunkt in Kalifornien und der Entführung von zwei Atombombern beteiligt zu sein«, sagte Emery. »Mitch, Ihre Reaktion?«
Grinstein zeigte ein böses Lächeln.
»Nun, ich weiß nur, was ich im Holo sehe. Ich habe keinen Angriff befohlen. Aber ich spende demjenigen, der es getan hat, Beifall. Wenn das die Erfüllung der Sechs Forderungen beschleunigt, bin ich ganz dafür.«
»Douglass Brown hat die Beschuldigungen, die ALF sei hier beteiligt, als gemeine Lügen bezeichnet«, fuhr Emery fort. »Er stellt in Frage, ob ein Angriff überhaupt stattgefunden hat. Wie vereinbart sich das mit dem, was Sie eben gesagt haben?«
»Vielleicht weiß Brown mehr als ich. Wir haben, wie gesagt, den Angriff nicht befohlen. Aber es könnte sein, daß einige unserer Leute von Hartmanns viertklassigem Faschismus endlich die Nase voll hatten und beschlossen haben, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Wenn das zutrifft, stehen wir hinter ihnen.«
»Dann glauben Sie also, daß es einen Angriff gegeben hat?«
»Ich nehme es an. Hartmann hatte Aufnahmen. Nicht einmal er wäre unverschämt genug, sie zu fälschen.«
»Und Sie unterstützen den Überfall?«
»Ja. Die Miliz erklärt schon seit langem, daß die Farbigen und die Armen nirgends Gerechtigkeit erwarten können als auf den Straßen. Das ist eine Rechtfertigung all dessen, was wir die ganze Zeit schon fordern.«
»Und wie steht es mit der Position des politischen Zweiges in der ALF?«
Wieder ein Achselzucken.
»Doug Brown und ich stimmen im Ziel überein. Wie wir es erreichen wollen, sehen wir mit verschiedenen Augen.«
»Aber ist nicht die Verteidigungsmiliz dem politischen Apparat der ALF unterstellt, und damit Brown?«
»Auf dem Papier. In den Straßen sieht es anders aus. Sind die Sturmtrupps, der Freiheits-Allianz Präsident Hartmann unterstellt, wenn sie sich auf die Jagd nach Außenseitern der Gesellschaft und Farbigen machen? Sie tun nicht so. Die Miliz widmet sich dem Schutz der Gemeinschaft. Vor Schlägern, Sturmtrupps und Hartmanns Sondereinheiten. Und vor allen anderen, die daherkommen. Wir treten außerdem für die Erfüllung der Sechs Forderungen ein. Und vielleicht gehen wir ein bißchen weiter, um die Forderungen zu verwirklichen, als Doug und seine Leute es tun.«
»Eine letzte Frage«, sagte Emery. »Präsident Hartmann hat in seiner heutigen Rede erklärt, er gedenke die ALF-Mitglieder als Hochverräter zu behandeln.«
»Soll er es versuchen«, sagte Grinstein lächelnd.
Die Alfie-Bomber hatten sich wieder auf die Radarkarte geschoben. Sie flogen noch immer in 100000 Fuß Höhe, bei etwa 1,7 Mach. Das Vampir-Rudel mußte sie in Minuten erreichen.
Reynolds hielt durch den Sehschlitz beinahe betäubt Ausschau nach den LB 4-Maschinen. Es war ihm kalt, obwohl er schweißgebadet war. Und er hatte große Angst.
Die Kampfpausen waren schlimmer als der Kampf selbst, fand er. Man hatte zuviel Zeit zum Nachdenken. Und das war schlecht.
Der Gedanke an McKinnis stimmte ihn traurig und verursachte ein wenig Übelkeit. Aber er war dankbar. Dankbar dafür, daß er es nicht gewesen war. Dann begriff er, daß das noch
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