Lieder von Sternen und Schatten
blieb keine Zeit. Er zog die Vampir in einer engen Schleife herum. Dutton blieb an seiner Seite. Sie tauchten wieder hinab.
Tief unten zuckte eine neue Flammenwolke auf. McKinnis, dachte Reynolds flüchtig, verbittert. Er raste hinunter. Die Alfies setzten sich hinter ihn. Die gottverdammten Alfies.
Aber es gab keine Möglichkeit, Gewißheit zu erlangen, keinen Augenblick, um die Frage zu überlegen. Selbst ein kurzer Blick zum Sehschlitz hinaus war schon ein Luxus, ein gefährlicher Luxus. Das Infrarot-Visier, die Radarkarte, die Computer-Verfolgungssysteme verlangten alle kreischend seine Aufmerksamkeit.
Unter ihm kurvten zwei Alfies. Der Computer peilte sich ein. Seine Finger bewegten sich fast instinktiv. Raketen Zwei und Sieben fegten aus ihren Abschußrohren den Rapieren entgegen.
Aus seinem Lautsprecher gellte ein kurzer Schrei, vermischt mit dem Knistern und Rauschen und dem plötzlichen Schrillen der Annäherungsmelder. Jemand hatte sich auf ihn eingepeilt. Er betätigte die Laserwaffen. Der Computer fand die sich nähernde Rakete, verfolgte sie, sengte sie vom Himmel, als sie in Reichweite kam. Reynolds hatte sie überhaupt nicht gesehen. Er fragte sich, wie nah sie herangekommen war.
Eine Flut von gleißendem rotorangem Licht schwappte durch den Sehschlitz, als vor ihm eine Rapier in Flammen aufging. Seine Rakete? Die von Dutton? Er wußte es nicht. Er hatte genug damit zu tun, die Vampir scharf hochzureißen und dem sich ausdehnenden Feuerball auszuweichen.
Ein paar Sekunden lang herrschte Frieden. Er war über dem Schauplatz des Luftkampfes und nahm sich die Zeit, kurz auf das Infrarotgerät zu blicken. Ein Gewirr von schwarzen Punkten auf einem roten Feld. Aber zwei waren höher als die anderen. Dutton, einen Alfie hinter sich.
Reynolds zog seine Vampir wieder hinunter, kam über und hinter der Rapier heran, gerade als sie ihre Raketen abfeuerte. Er war ganz nah. Nicht nötig, seine restlichen vier Raketen zu vergeuden. Seine Hand ging zu den Lasertasten, drückte sie.
Zusammenführende Lichtstrahlen schnellten aus den schwarzen Tragflächenenden und sengten in den Silberrumpf der Rapier zu beiden Seiten der Kanzel. Der Alfie-Pilot tauchte hinab, um zu entkommen, aber der Minicomputer der Vampir hielt die Laserstrahlen im Ziel.
Die Rapier explodierte.
Beinahe gleichzeitig gab es eine weitere Explosion: die Alfie-Raketen, von Duttons Lasern gesprengt. Reynold hörte Duttons Lachen im Radio und atemlose Dankesworte.
Aber Reynolds achtete mehr auf das Infrarotgerät und die Radarkarte. Der Radarschirm war wieder sauber.
Nur drei Lichtpunkte zeigten sich unter ihm. Es war vorbei.
Bonettos Stimme gellte wieder durch das Cockpit.
»Hab' ihn!« schrie sie. »Hab' sie alle! Wer ist da oben noch da?«
Dutton meldete sich schnell. Dann Reynolds. Der vierte überlebende Vampir-Pilot war Ranczyk, Bonettos Flügelmann. Die anderen waren tot.
Er spürte einen neuen Stich, schärfer als während des Kampfes. Es war doch McKinnis gewesen, dachte Reynolds. Er hatte McKinnis gekannt. Hochgewachsen, mit roten Haaren, ein miserabler Pokerspieler, der sein Geld widerspruchslos ablieferte, wenn er verlor. Das tat er immer. Seine Frau kochte gut Chili. Sie hatten, wie Reynolds, die Alt-Demokraten gewählt. Verdammt, verdammt, verdammt.
»Wir haben erst die Hälfte«, sagte Bonetto. »Die LB 4 sind noch vor uns. Haben einen Vorsprung herausgeholt. Also los.«
Vier Vampire waren in der Formation lange nicht so eindrucksvoll wie neun. Aber sie stiegen senkrecht hinauf. Und nahmen die Verfolgungsjagd auf.
Ted Warren sah müde aus. Er hatte die Jacke ausgezogen und den schwarzen Krawattenschal gelockert, und seine Haare waren zerzaust. Aber er machte weiter.
»Aus dem ganzen Land sind Meldungen über Sichtungen der gekaperten Maschinen eingegangen«, sagte er. »Die meisten sind eindeutig Fehlbeobachtungen, aber von der Regierung ist bislang nichts über die Jagd nach den gestohlenen Düsenflugzeugen verlautbart worden, so daß die Gerüchte unvermindert kursieren. Inzwischen bleibt eine knappe Stunde bis zur angedrohten nuklearen Vernichtung Washingtons.«
Hinter ihm wurde ein Bildschirm plötzlich zu wimmelndem Leben erweckt. Die Pennsylvania Avenue, an deren Ende sich das Kapitol abzeichnete, war von Autos und Menschen verstopft.
»Washington selbst befindet sich in einer Panik«, kommentierte Warren. »Die Bevölkerung der Stadt ist in Massen auf die Straßen geströmt, um die Flucht zu ergeifen, aber
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