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Lieder von Sternen und Schatten

Lieder von Sternen und Schatten

Titel: Lieder von Sternen und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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lächelte, hatte sich jetzt ganz in der Hand, seine Stimme klang ruhig und sicher. »Nun, ich mache bei dem Spiel nicht mit. Ich klammere mich an meine Menschlichkeit und kämpfe dafür, wenn ich muß. Ich habe einmal geliebt, wirklich geliebt. Und jetzt habe ich eine Wunde. Und ich werde nichts davon ableugnen oder so tun, daß es mir weniger bedeutet, als das der Fall ist.« Er sah Winters an. »Leutnant, ich will meine Sandi, und ich lasse sie mir nicht wegnehmen. Stimmen wir ab.«
    Winters nickte.
    Es war knapp, ganz knapp. Es ging nur um drei Stimmen. Keith hatte viele Freunde.
    Aber Winters siegte.
    Keith nahm es ruhig auf. Er griff nach der Zigarrenkiste, ging hinüber und gab sie Winters. Pete grinste fröhlich, aber Winters lächelte nicht einmal.
    »Es tut mir leid, Keith«, sagte er.
    »Ja«, sagte Keith. »Mir auch.« Die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Keith schämte sich nie, zu weinen.
    An diesen Abend wurde nicht gesungen.
     
    Winters machte keine Zeitausflüge. Er schickte Leute auf ›Suchexpeditionen‹ in die Vergangenheit, alles sorgfältig geplant nach minimalem Risiko und maximalem Ertrag.
    Wir erhielten damit keinen Arzt. Rick machte drei Ausflüge in die Vergangenheit, ohne mit nutzbaren Erinnerungen zurückzukehren. Aber einer von den anderen erinnerte sich nach einer Rückkehr in ein Bio-Labor an wertvolle Dinge über Heilkräuter, und wieder einem anderen fielen ein paar gute Dinge über Elektrizität ein.
    Winters blieb jedoch optimistisch. Er nahm inzwischen Befragungen vor, um zu entscheiden, wer das Chronin als nächster bekommen sollte. Er war sehr vorsichtig, sehr gründlich, und er stellte immer die richtigen Fragen. Niemand ging ohne seine Zustimmung zurück. Bis zum jeweiligen Einverständnis wurde das Chronin in der neuen Hütte aufbewahrt, wo Pete es im Auge behielt.
    Und Keith? Keith sang. Ich hatte am Abend der Auseinandersetzung befürchtet, er könnte das Singen aufgeben, aber ich täuschte mich. Er konnte das Singen nicht aufgeben, so wenig, wie er Sandi aufzugeben vermochte. Er kehrte schon am nächsten Abend zum Konzertfelsen zurück und sang lauter und härter als je zuvor. Am Abend danach war er noch besser.
    Untertags ging er einstweilen seiner Arbeit mit angestrengter Heiterkeit nach. Er lächelte viel und redete viel, aber er sagte kaum je etwas. Und er erwähnte nie das Chronin, die Zeitausflüge oder den Streit.
    Oder Sandi.
    Er verbrachte seine Nächte immer noch draußen am Bach. Das Wetter wurde immer kälter, aber Keith schien das nichts auszumachen. Er trug nur ein paar Decken und seinen Schlafsack hinaus und achtete nicht auf den Wind, die Kälte und den immer häufiger fallenden Regen.
    Ich ging ein–, zweimal mit ihm hinaus, um bei ihm zu sitzen und mich mit ihm zu unterhalten. Keith war freundlich genug, aber er mied die Themen, auf die es wirklich ankam, und ich konnte mich nicht dazu überwinden, das Gespräch bewußt dorthin zu lenken, wohin er ganz offensichtlich nicht wollte. Wir sprachen dann über das Wetter und ähnliche Dinge.
    Zu der Zeit nahm Keith seine Gitarre mit hinaus zum Bach. Er spielte, wenn ich dabei war. Kein Singen, nur Musik. Zwei Lieder, immer wieder hintereinander. Man weiß, welche.
    Und nach einer Weile nur noch eines. ›Me and Bobby McGee.‹ Abend für Abend, allein und besessen, spielte Keith dieses Lied, an einem trockenen Bachbett in einem nackten Wald. Mir hatte das Lied immer gefallen, aber nun begann ich es zu fürchten, und ein Schauder durchlief mich, so oft ich die Töne im frostigen Herbstwind hörte.
    Schließlich sprach ich ihn eines Abends darauf an. Es war ein kurzes Gespräch, aber, wie ich glaube, nach der Auseinandersetzung die einzige Gelegenheit, bei der Keith und ich zueinander wirklich durchdrangen.
    Ich war mit ihm zum Bach gegangen und hatte mich in eine dicke Wolldecke gewickelt, um den kalten, nassen Nieselregen abzuwehren, der vom Himmel herabtropfte. Keith lag an seinem Baum, halb im Schlafsack, mit der Gitarre auf dem Schoß. Er machte sich nicht einmal die Mühe, sie vor der Feuchtigkeit zu schützen, was mich beunruhigte.
    Wir sprachen über Nichtiges, bis ich schließlich seine einsamen Bachkonzerte erwähnte. Er lächelte.
    »Du weißt, warum ich dieses Lied spiele«, sagte er.
    »Ja«, erwiderte ich. »Aber ich möchte, daß du damit aufhörst.«
    Er blickte zur Seite.
    »Das werde ich tun. Nach heute Abend. Aber heute Abend spiele ich es, Gary. Widersprich bitte nicht. Hör nur zu. Das

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