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Lieder von Sternen und Schatten

Lieder von Sternen und Schatten

Titel: Lieder von Sternen und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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runzelte die Stirn. Ich lächelte.
    »Schauen Sie«, sagte ich. »Wenn Sie das täten, wäre es Selbstmord. Sie glauben, Chronin sei nur eine Droge zum Träumen. Aber Keith hielt sie für eine Zeitmaschine. Er hat sich nicht umgebracht. Das war nicht sein Stil. Er ist einfach zu Sandi zurückgegangen. Und diesmal hat er dafür gesorgt, daß er dort blieb.«
    Winters blickte wieder auf die Leiche.
    »Ja«, sagte er. »Mag sein.« Er schwieg kurze Zeit.
    »Um seinetwillen hoffe ich, daß er recht hatte.«
     
    Die Jahre seither sind gute gewesen, meine ich. Winters ist ein besserer Führer, als ich es gewesen bin. Die Zeitausflüge haben nie Wissen gebracht, das von Wert gewesen wäre, aber die Suchexpeditionen haben sich als fruchtbar erwiesen. In der Stadt leben jetzt über zweihundert Leute, die meisten davon sind Menschen, die Winters mitgebracht hat.
    Es ist sogar eine richtige Stadt. Wir haben elektrischen Strom und eine Bücherei und viel zu essen. Und einen Arzt – einen richtigen Arzt, den Winters hundert Meilen von hier gefunden hat. Wir wurden so wohlhabend, daß die Söhne der Verwüstung davon erfuhren und zurückkamen, um sich ein bißchen zu amüsieren. Winters ließ sie von seiner Miliz zurückschlagen und diejenigen aufspüren, welche zu entkommen versuchten.
    Nur die alten Kommunemitglieder erinnern sich noch an Keith. Aber Gesang und Musik gibt es immer noch. Winters fand bei einem seiner Streifzüge einen Jungen namens Ronnie, und Ronnie hatte eine eigene Gitarre. Er ist natürlich nicht in Keiths Klasse, aber er gibt sich große Mühe, und alle haben Spaß. Und er hat ein paar von den Kindern das Spielen beigebracht.
    Es ist nur so, daß Ronnie seine Lieder gern selbst schreibt, so daß wir von den alten Liedern nicht mehr viel hören. Statt dessen gibt es Nachkriegs-Musik. Das beliebteste Lied zur Zeit ist eine lange Ballade darüber, wie unser Army die Söhne der Verwüstung vernichtet hat.
    Winters meint, das sei etwas Gesundes; er spricht von neuer Musik für eine neue Zivilisation. Und vielleicht hat das etwas für sich. Mit der Zeit, da bin ich sicher, wird es eine neue Kultur geben, als Ersatz für die alte, die tot ist.
    Ronnie gibt uns wie Winters das Morgen.
    Aber das fordert seinen Preis.
    Neulich abends, als Ronnie sang, bat ich ihn, ›Me and Bobby McGee‹ zu singen. Aber keiner kannte den Text.
     
     
    »... for a single yesterday«
Copyright, ©, 1975, by Roger Elwood and Robert Silverberg.
From Epoch (Berkley-Putnam, 1975).
     

Teufel, die Engel heißen
     
     
    Töten darfst du, für dich und die deinen,
    für die Jungen, wenn es gebietet die Pflicht.
     
    Doch töte nicht aus Freude am Töten,
    und siebenmal töte den Menschen nicht!
     
    Rudyard Kipling
     
    Die Jaenshi-Kinder hingen außen an den Mauern, eine Reihe kleiner, graufelliger Körper, still und regungslos an langen Stricken. Das älteste von ihnen war offenkundig vor dem Erhängen abgeschlachtet worden; hier baumelte ein männliches Wesen ohne Kopf an den Beinen, während dort der versengte Kadaver eines weiblichen hing. Aber die meisten von ihnen, die dunklen, behaarten Kleinkinder mit den großen goldenen Augen, die meisten waren einfach aufgehängt worden. Gegen Abend zu, als der Wind aus den zerklüfteten Bergen herabwirbelte, drehten die Körper der leichteren Kinder sich an ihren Stricken und prallten an die Stadtmauer, so, als wären sie lebendig und klopften um Einlaß.
    Aber die Wachen auf den Mauern beachteten das Poltern nicht, als sie ihre unerbittlichen Runden gingen, und die Metalltore mit den Roststreifen öffneten sich nicht.
    »Glauben Sie an das Böse?« sagte Arik neKrol zu Jannis Ryther, als sie vom Kamm eines nahen Hügels auf die Stadt der Stählernen Engel hinabstarrten. Zorn war in jede Linie seines flachen, gelblichbraunen Gesichts geritzt, als er zwischen den geborstenen Splittern dessen saß, was einmal eine Jaenshi-Betpyramide gewesen.
    »An das Böse?« murmelte Ryther zerstreut. Ihre Augen lösten sich nicht von den Rotsteinmauern unter ihnen, wo die dunklen Körper der Kinder sich deutlich abzeichneten. Die Sonne ging unter, die dicke, rote Kugel, von den Stahlengeln das Herz von Bakkalon genannt, und das Tal unter ihnen schien in blutigen Nebeln zu schwimmen.
    »Das Böse«, wiederholte neKrol. Der Händler war ein kleiner, dicklicher Mann, seine Züge entschieden mongoloid, bis auf das flammend rote Haar, das fast bis zu seinen Hüften reichte. »Es war ein religiöser Begriff, und

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