Liegen lernen
knöpfte ich ihr die Bluse von unten nach oben auf. Sie trug einen weißen BH mit einer kleinen rosafarbenen Blume zwischen den Körbchen. Ich küßte sie wieder, eine Hand in ihrem Nacken, ihren Haaransatz streichelnd. Dann legte ich eine Hand ganz leicht auf einen Busen. Sie atmete ein. Ich legte meine Hand wieder auf ihren Rücken und suchte den Verschluß ihres Büstenhalters. Ich bekam ihn ziemlich schnell auf. Ich streifte ihr die Bluse von den Schultern und auch die Träger des BHs. Ich zog meinen Pullover und mein Hemd aus. Ich umarmte sie. Dann hatten wir Sex.
Es war erstaunlich leicht, etwas mit Gisela anzufangen.
8
Die achtziger Jahre gingen zu Ende. Das hört sich pathetisch an, und dabei hatten die Achtziger nun wirklich nichts mit Pathos zu tun. Irgendwann waren in der Schule immer mehr Leute mit ledernen Aktenkoffern aufgetaucht. Sie kämmten sich, sie trugen Schuhe mit Troddeln, sie besuchten die erstmals angebotenen Informatikkurse, sie hatten den Führerschein. Die etwas wilderen Mädchen fingen an, sich Kruzifixe und Rosenkränze umzuhängen, und trugen Röcke über Leggings und dazu Schnürstiefel. Aber auch Mädchen, die in Bluse und Rock zum Unterricht erschienen, waren keine Außenseiterinnen mehr. Es gab immer noch die Wildlederjackenträger, aber die Hegemonie ging langsam an jene über, die schmale Lederkrawatten zu pastellfarbenen Polohemden für nicht ehrenrührig hielten. Es kam die Unsitte auf, Jackettärmel bis zum Ellenbogen hochzuschieben. Kurz vor dem Abitur, ziemlich genau Mitte der achtziger Jahre, sagte Mücke, eine Kultur, in der geschminkte Schwuchteln wie George Michael und Boy George nicht standrechtlich totgeschossen würden, verdiene es, unterzugehen.
Wir waren dagegen. Gegen Kohl. Aber wir sagten es keinem. Und Kohl hieß nicht nur Helmut, sondern alles. Kohl hieß »besenrein«. Kohl hieß grinsen. Kohl hieß »endlich SS-Gräber besuchen«. Plötzlich mußten Fußballspieler vor einem Länderspiel die Nationalhymne singen. Man mußte ihnen nur beibringen, daß sie die dritte und nicht immer die erste Strophe singen sollden es damals noch gab – lief ebenfalls die Nationalhymne, wie in Amerika, nur eben die deutsche. Wir lernten »Werner«-Comics auswendig und tranken Bier aus Flaschen mit Plopp-Verschluß und furzten und hielten das für Widerstand.
Wir gewöhnten uns daran, daß über dem roten Knopf im Osten zitternde Altmännerhände schwebten. Die Kommunistenchefs waren hinfällig und sabberten und mußten gestützt werden und hatten künstliche Ausgänge. Dafür gab es ständig neue.
Die Achtziger waren vor allem um die Mitte herum und gegen Ende finster, und die Sommer waren schlecht, aber ich lernte in ihnen das Zusammenleben und das Ficken, das Liebsein und das Lügen. Man kann es sich eben nicht aussuchen. Wäre ich mit den Beatles aufgewachsen, hätte ich vielleicht auch an eine bessere Welt geglaubt.
Nach ein paar Wochen sagte Gisela, es sei doch vielleicht schön, wenn ich in ihre WG ziehen würde. Ich überschlug, daß ich etwa zweihundert Mark im Monat sparen würde, und sagte, das sei wirklich schön. Gisela sagte, Joe, einer ihrer drei Mitbewohner, würde demnächst ausziehen, und dann sei das Zimmer frei. Schlafen könnte ich bei ihr, aber Joes Zimmer sei doch ein tolles Arbeitszimmer für mich. Wir würden zusammen wohnen, hätten aber jeder unseren eigenen Bereich. Als sie das sagte, mußte ich an Britta denken. Und an Jutta, wie sie gesagt hatte, Britta sei oben, in ihrem Bereich.
Joe zog aus, und ich zog ein. Ich habe ihn nicht mal gesehen. Joe hatte eine Menge Regale gehabt, die Wände waren mit Löchern übersät. Ein ganzes Wochenende ging für die Renovierung drauf. Gisela half mir. Sie war wirklich sehr nett.
Aus meiner alten Wohnung hatte ich nur meinen Schreibtisch, einen Stuhl, einen Sessel und einen Kleiderschrank mitgebracht. Alles andere hatte ich auf den Sperrmüll geworfen, und auch das war nicht viel gewesen. Die Bücher, die ich in den letzten Jahren gekauft hatte, weil ich glaubte, daß sie mir von Britta empfohlen worden wären, stapelte ich einfach auf dem Boden. Gelesen hatte ich kaum eines davon.
Das Zimmer war ziemlich klein. Das Problem waren meine Platten. Ich mußte mir ein Regal kaufen, wo die Platten hineinpaßten. Also bohrte auch ich Löcher, um ein Kellerregal aus Metall zu befestigen, das ich für fünfundzwanzig Mark im Baumarkt gekauft hatte. Gisela sagte, wenn das mit meinen Platten so weiterginge,
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