Liegen lernen
nicht?«
»Wir haben Gäste.«
»Gisela hat Gäste.«
»Ich muß ihr helfen. Aufräumen, abwaschen, das alles.«
»Du bist rechtzeitig zurück. Sonst schreibe ich dir eine Entschuldigung.«
Wir nahmen unsere Mäntel, ich machte die Tür zur Küche auf und sagte, ich ginge noch mal kurz weg. Gisela wurde blaß. Sie fragte mich, wann ich zurückkäme. »Früh genug, um dir mit dem ganzen Schlamassel da noch zu helfen«, sagte ich und zeigte auf die verdreckten Töpfe, Pfannen und Teller.
Wir gingen ins Raskolnikow. Wir saßen eine Zeitlang am Tresen, bis ein Tisch frei wurde. Am Tresen saß eine Frau. Sie trug eine Lederhose. Das Leder spannte sich über ihrem Hintern. Die Frau hatte schwarze Haare, einen fest gebundenen Pferdeschwanz. Ich sah immer wieder hin zu ihr.
»Selig sind die geistig Armen«, murmelte Beck, »denn ihrer sind die Praxen und Kanzleien und die Tennisclubs.«
Wir tranken, bis Uwe zumachte. Als wir gingen, saß nur noch die Frau in der Lederhose am Tresen. Als ich mich an der Tür noch einmal umdrehte, sah sie mich an und lächelte.
Als ich in die Wohnung zurückkam, war alles dunkel. Die Küche war blitzsauber. Alles war gespült und eingeräumt, und der Boden war gewischt.
Ich ging in Barbaras Zimmer. Ich suchte wieder nach ihrer Unterwäsche. Ich sah in einer Kiste nach, in der sie die Schmutzwäsche sammelte. Ich steckte meinen Kopf in die Kiste, hoffte, daß ich nicht kotzen mußte, und atmete tief ein. Ich roch Frau und Möse und Schweiß. Ich nahm einen roten Schlüpfer heraus und roch an ihm. Er roch noch nach etwas anderem. Mir wurde ein bißchen schlecht. Aber nur ein bißchen. Ich legte mich auf Barbaras Bett und machte meine Hose auf. Ich nahm den roten Schlüpfer in die rechte Hand und fing an, mir damit einen runterzuholen, aber ich war ziemlich betrunken und ziemlich müde, also war ich nach ein paar Sekunden eingeschlafen.
Als ich wach wurde, war es noch immer dunkel, und mein Mund war sehr trocken. Ich mußte dringend etwas trinken, und ich mußte pinkeln, und mein Kopf dröhnte. Ich rollte mich von der Matratze und wollte mich aufrappeln. Dabei sah ich Gisela auf dem Boden neben der Tür sitzen. »O Scheiße«, sagte ich und fiel wieder um.
»Ich habe dich kommen hören«, sagte sie, »und dann dachte ich, wieso kommt er nicht ins Bett. Dann finde ich dich hier. Was machst du hier?«
»Ich muß pissen.«
»Hier?«
»Hab mich wohl im Zimmer geirrt.«
»Was soll das mit dem Slip?«
»Was für’n Slip?«
»Du hattest einen von Barbaras Slips auf deinem Penis liegen.«
»Penis! Was für ein Wort!«
»So heißt er nun mal.«
»Ich muß pissen!« sagte ich, und diesmal schaffte ich es, auf die Beine zu kommen, und taumelte zum Klo. Ich setzte mich hin, um nicht in die Dusche zu fallen. Gisela kam mir nach.
»Ich habe schon alles gespült«, sagte sie. »Entschuldige, ich pisse gerade.«
»Laß dich nicht stören!«
»Du hättest mit dem Spülen auf mich warten sollen.«
»Habe ich auch.«
»Aber nicht lange genug. Könnte ich jetzt in Ruhe pissen?« Sie seufzte und verließ das Bad. Ich blieb länger sitzen, als notwendig war.
Am nächsten Morgen fragte Gisela mich, was ich mir dabei gedacht hätte. Ich sagte, ich sei betrunken gewesen, und damit war das Thema vom Tisch. In den nächsten Wochen hatten wir keinen Sex. Eine Zeitlang ging ich Barbara aus dem Weg. Sie war ohnehin die meiste Zeit nicht da. Aber dann saß sie eines Nachmittags in der Küche, und ich setzte mich zu ihr. Gisela war nicht da. Ich fragte sie, wie es ihr gehe. Sie sagte »Okay«. Ich fragte, was das Theater mache, und sie sagte, das sei auch okay. Ich wollte wissen, ob es immer noch so anstrengend war, und sie sagte »Ja«.
Gisela und ich vertrugen uns gut, nur schliefen wir nicht mehr miteinander. Wir trafen uns auch nicht wieder mit den Leuten, die Weihnachten bei uns gewesen waren. Ein paarmal gingen wir mit Beck ins Kino. Wenn wir später in der Kneipe saßen und über den Film redeten, konnten sie sich nicht einig werden. Sie gingen einander auf die Nerven, und ich hörte zu.
Meine Mutter rief ein paarmal an und sagte, ich solle doch mal wieder mit meiner Freundin vorbeikommen. Ich sagte, wir hätten beide zur Zeit soviel zu tun, aber ich würde mal mit meiner Freundin darüber reden. Gisela sagte ich nichts von den Anrufen.
Eines Nachmittags ging ich durch die Stadt und kam am Theater vorbei. Ich ging langsamer. Ich blieb stehen. Ich sah nach oben. Dann setzte ich mich
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