Liegen lernen
Abendkleid mit in seine verlauste WG und zeigte ihr sein sauberes, helles, aufgeräumtes Zimmer. Sie zogen sich aus und legten sich ins Bett, und dann schliefen sie miteinander, und zwei Tage lang taten sie nichts anderes, dann zog Gabriele sich wieder ihr Abendkleid über und fuhr zu ihrem Mann ins Hotel und am nächsten Tag mit ihm nach Hause.
Wochenlang telefonierten sie jeden Tag miteinander. Gabrieles Mann hatte sie gar nicht groß gefragt, wo sie gewesen war, sein Interesse für seine Frau beschränkte sich darauf, daß sie bei relevanten Verabredungen und Abendgesellschaften anwesend war und gut aussah. Nach drei Monaten hielt Beck es nicht mehr aus und fuhr zu ihr. Sie trafen sich in einem Hotel, das sie bezahlte. Er blieb eine Woche. Dann fuhr er nach Berlin zurück, jedoch nur, um seine Sachen zu packen und kurz darauf eine Wohnung in Gabrieles Nähe zu beziehen. Sie gab ihm Geld, das er zunächst nicht annehmen wollte, dann aber doch nahm, als sie es ihm aufnötigte. Er gab das Geld jedoch nicht aus, sondern legte es an, um mit dem so Ersparten irgendwann eine gemeinsame Zukunft zu finanzieren. Zwei- bis dreimal in der Woche trafen sie sich nachmittags in Becks Wohnung. Gabrieles Mann vermutete wohl, daß da etwas vor sich ging, aber offenbar war es ihm egal, sicherlich hatte er auch etwas nebenher laufen. Gabriele sagte, sie liebe Beck, wolle aber ihren Mann nicht verlassen, wegen der Kinder. Zwei Jahre lang ging das so. Dann nahm ihr Mann einen Job an der Uniklinik in München an, und Gabriele ging mit ihm. Ausgerechnet München! Das brach Beck mehr als nur das Herz.
Gisela sagte, sie freue sich sehr auf unser erstes gemeinsames Weihnachtsfest. Das klang wie der Beginn einer langen Reihe. Sie hatte auch schon einen detaillierten Plan für die Feiertage ausgearbeitet. Sie sagte, es wäre doch toll, wenn wir am 24. erst bei meinen Eltern »vorbeischauen«, um dann zum Abendessen zu den ihren zu fahren. Am 25. müsse sie ihre Tante Anni besuchen gehen. Die freue sich schon sehr auf mich. Am zweiten Feiertag müßten wir nur kurz einen Abstecher zu Onkel Karl ins Altersheim machen. Onkel Karl war eigentlich gar nicht ihr richtiger Onkel, sondern nur ein guter Freund ihres Großvaters gewesen, der früher aber häufig auf sie aufgepaßt habe, weshalb sie ihn bis heute »Onkel« nenne und mehr oder weniger regelmäßig besuche. Der Nachmittag des 26. gehöre dann uns beiden, wobei zu bedenken sei, daß wir wohl mit den Vorbereitungen für den Abend ziemlich viel zu tun hätten, denn da habe sie ein paar Freunde zum Essen eingeladen, wie sie das eigentlich jedes Jahr tue. »Du kannst ja auch jemanden mitbringen, diesen Beck vielleicht. Und überhaupt: wenn dir das alles zu viel wird, mußt du es nur sagen, das wäre schon in Ordnung, wir können das natürlich auch alles ganz anders machen.«
Gisela und ich kamen gegen fünf bei meinen Eltern an. Meine Mutter trug ein mindestens fünfzehn Jahre altes, violettes Kleid und war wohl noch am gleichen Tag beim Friseur gewesen. Sie wirkte zwei Zentimeter größer. Der violette Stoff spannte über ihrem Busen. Sie begrüßte Gisela sehr freundlich. Sie sagte, sie freue sich, »endlich das Mädchen kennenzulernen, für das sich unser Junge entschieden hat«. Gisela lachte und sagte: »Ja, ja, so geht das.«
Mein Vater hatte seinen alten dunklen Anzug angezogen.
Er saß in seinem Sessel im Wohnzimmer und stand auf, als wir hereinkamen. Er sagte »Guten Abend« zu Gisela.
Meine Mutter sagte: »Nehmen Sie doch Platz! Kann ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kaffee vielleicht? Ich würde Ihnen ja auch etwas zu essen machen, aber das bekommen Sie ja gleich bei Ihren Eltern, also, ich habe auch gar nichts vorbereitet, wissen Sie, wir sind ja keine großen Esser, auch nicht zu Weihnachten, mein Mann und ich machen heute abend vielleicht noch ein paar Brote, und dann gehen wir früh ins Bett, ist eben auch immer dasselbe.«
»Ein Kaffee wäre nett«, sagte Gisela. Meine Mutter ging in die Küche.
Mein Vater schlug die Beine übereinander. Dann schlug er sie wieder zurück. Er rutschte langsam auf dem Sessel hin und her. Gisela sagte, es sei ungewöhnlich mild für die Weihnachtszeit. Mein Vater runzelte die Stirn. »Das Wetter«, sagte Gisela, und mein Vater nickte. Dann warteten wir, bis meine Mutter mit dem Kaffee kam.
Gisela und meine Mutter unterhielten sich ziemlich gut miteinander. Mein Vater nickte oder schüttelte den Kopf oder grunzte.
Dann war
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