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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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fließt Blut, es ist ekelhaft, der Ringrichter müßte eigentlich abbrechen. Aber es ist geil.
    Eines Nachmittags lag ich etwas zu lange in Barbaras Bett, und Gisela kam nach Hause. Ich hörte, wie sie zur Wohnungstür hereinkam. Barbara reagierte nicht. Ich hätte aufspringen und mich anziehen sollen. Aber ich hatte keine Lust. Ich war müde vom Ficken und lag hier gerade so gut. Vielleicht würde Gisela ja wieder gehen, wenn ich mich nur still verhielt. Ich konnte mich nicht dafür entscheiden, aufzustehen. Was nicht hieß, daß ich mich entschieden hatte liegenzubleiben. Das war nicht leicht, das Liegen. Auch Liegenbleiben, bewußtes Liegenbleiben, will gelernt sein. Ich hatte gerade meine erste Lektion.
    Etwa eine Viertelstunde hörte ich Gisela in der Wohnung hantieren, dann kam sie in Barbaras Zimmer, um zu fragen, ob sie etwas für die Wäsche hätte. Gisela sah mich und verstummte abrupt. Niemand sagte etwas. Ich verzichtete darauf, Gisela anzusehen. Dann ging Gisela in ihr Zimmer. Ich blieb noch ein paar Minuten liegen. Barbara zündete sich eine Zigarette an. Dann zog ich mich an und ging zu Gisela.
    Sie weinte. Sie fragte mich, warum ich das getan hätte, und ich zuckte mit den Schultern, aber das sah sie nicht, also dachte sie, ich hätte keine Antwort gegeben, aber das war mir egal. Gisela sagte, wir müßten uns wohl trennen, und ich sagte: »Tja, wenn du meinst.«
    »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
    »Was soll ich sonst sagen?«
    »Vielleicht willst du ja was erklären.«
    »Was denn?«
    »Wie es dazu kommen konnte vielleicht.«
    »Ist halt so passiert.«
    »Liebst du sie denn?«
    »Nein.«
    »Und wie ist es mit mir?«
    »Keine Ahnung. Liebst du sie?«
    »Liebst du mich denn noch, du…« Ihr fiel kein passendes Wort ein.
    »He«, sagte ich, »du willst dich schließlich von mir trennen.«
    »Und was sagst du dazu?«
    »Habe ich doch schon gesagt.«
    »Entschuldige, aber ich glaube, ich habe das nicht mitbekommen.«
    »Ich sagte vorhin: Tja, wenn du meinst.«
    So ging das noch ein oder zwei Stunden weiter, und es war sehr ermüdend. Dann sagte sie, ich könne unmöglich noch eine Nacht bei ihr bleiben.
    »Ach, und wo soll ich deiner Meinung nach hin?«
    »Was weiß ich. Vielleicht kannst du bei ihr bleiben! Ach, Scheiße, nein, das will ich auch nicht. Geh irgendwohin, in ein Hotel oder zu diesem Beck, oder schlaf im Park oder in der Bahnhofsmission, ist mir egal.« Ich hatte sie noch nie »Scheiße« sagen hören.
    Ich packte meine Sachen und zog für ein paar Wochen zu Beck. Ich wußte, daß ich ein Arschloch war, aber ich wußte nicht, was ich dagegen tun sollte. Eine Zeitlang lag ich nur so herum und sah fern. Vor allem Vorabendserien. Der Fahnder. Soko 5113. Ich mußte dran denken, wie ich mir auf Olivia Pascal einen runtergeholt hatte. Sie hatte ein paar ziemlich schlechte Filme gemacht, wo sie nackt herumgelaufen war. Die Fotos waren in der Bravo gewesen. Jetzt war sie eine ernsthafte Kriminalbeamtin.
    Ich trank etwas zu viel, und nach zwei Wochen sagte Beck, er könne das nicht mehr mit ansehen, ich solle mir gefälligst eine eigene Wohnung suchen. Ich sah ein paarmal in die Zeitung und hatte Glück.
    Ich holte meine restlichen Sachen von Gisela ab. Sie sagte nichts. Stand nur daneben, als ich alles hinuntertrug. Sie sagte nichts wegen des Geldes, das sie mir geliehen hatte. Ich sagte auch nichts.
    Zweimal mußte ich allein fahren, um meine Platten zu transportieren. Ich nahm mir vor, sie wieder in der Wohnung zu lagern und sie nicht in den Keller zu verbannen.
    Ich kaufte mir zwei Böcke, legte eine Holzplatte drauf und hatte einen Schreibtisch. Dann kaufte ich eine Matratze und Bettzeug. Beck schenkte mir einen Ikea-Kleiderschrank, weigerte sich aber, beim Aufbau mitzuhelfen. Über eine Kleinanzeige bekam ich für achtzig Mark einen Kühlschrank und für hundert Mark einen alten Herd. Ich lieh mir von Beck noch etwas Geld und kaufte noch ein paar CDs. Es tat gut, das Geld einfach so zum Fenster hinauszuwerfen. Ich fing an, mich mit Lou Reed und Velvet Undergound zu beschäftigen. Ich mochte vor allem die langsamen Nummern. »A Walk on the Wild Side« kam mir bald aus den Ohren heraus. Jetzt durften es auch mal die Talking Heads sein, die mir bisher zu kompliziert gewesen waren. Aber ich war ja kein Kind mehr.
    Manchmal ließ ich jetzt beides laufen: den Fernseher, ohne Ton, und dazu Musik. Die »heute«-Nachrichten unterlegt mit »Burning down the house«. Das hatte was.
    Als der

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