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Liegen lernen

Liegen lernen

Titel: Liegen lernen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goosen
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Spitzen-BH sowie eine enge schwarze Hose und eine Art Kummerbund. Beck trug einen schlichten grauen Boss-Anzug und ein schwarzes Hemd. Wir waren jung, wir sahen gut aus, wir waren klug. Ich mußte an eine ziemlich schlechte Nummer von Joan Baez denken: We are the children of the eigthies, haven’t we grown? Tender as a lotus, tougher than a stone. Ich war gerade in der Stimmung, Frau Baez ihren Kitsch ins Maul zurückzutreiben. Wir machten uns auf den Weg.
    Das Restaurant hatte einen französischen Namen und die Kellner trugen Fräcke. Als wir Platz nehmen wollten, rückte Beck für Mariele den Stuhl zurecht. Gloria sah mich an, weil ich nicht daran gedacht hatte.
    Als Aperitif bestellte Beck für uns alle Sherry. Dann wählten wir die Speisen aus. Beck ließ es sich nicht nehmen, das für uns zu übernehmen, nachdem wir ihm gesagt hatten, was wir wollten.
    »Also«, sagte er zu dem Kellner, »bei der Vorspeise bleiben wir ganz rustikal und nehmen einfach Bruscetta mit gehackten und gerösteten Kirschtomaten, dazu einen leichten Rosé, vielleicht einen Lirac. Als Hauptspeise für die Dame zu meiner Linken bitte den gegrillten Schwertfisch mit Mais-Tomatensauce, für die Dame mit dem zauberhaften Dekollete bitte das Schweinefilet mit Muskatellersauce, für den Herrn den Kalbsbraten mit Sauerampfer-Spinat-Püree und meiner Wenigkeit bringen Sie bitte die gegrillten Stubenküken im Schalottenconfit. Zu dem Fisch empfehle ich der Dame meines Herzens einen mittelschweren, trockenen Weißwein, sagen wir mal einen Entredeux-mers, was sagst du dazu, Liebste?«
    »Ich vertraue dir.«
    »Fein, also einen Entre-deux-mers, einen fünfundachtziger. Zu dem Schweinefilet empfehle ich ebenfalls einen trockenen, geschmackvollen Weißwein, vielleicht einen Bianco di Custoza, und zu dem Kalbsbraten hätte der Herr gerne…«
    »Ein Bier«, unterbrach ich Beck.
    »Nein, nein«, lächelte Beck den Kellner an, »er macht nur Spaß. Was er wirklich bestellen wollte, war ein kräftiger Rot-Wein, sagen wir ein Graves rouges. Und zu den Stubenküken bringen Sie mir bitte einen milden bis würzigen Weißwein, vielleicht einen Montravel. Ach nein, wissen Sie was, bringen Sie einfach etwas mehr von dem Lirac, der tut es sehr gut zu den Küken. Außerdem zwei große Flaschen Wasser, San Pellegrino. Vielen Dank.«
    Der Kellner verschwand, und Beck war zufrieden mit sich. Ich sagte: »Ich hätte aber lieber ein Bier getrunken.«
    »Nein, hättest du nicht«, sagte Beck.
    »Hätte ich wohl.«
    »Sei nicht albern«, sagte Gloria.
    Beck begann ein Tischgespräch und spekulierte darüber, daß sich die Veränderungen in der Sowjetunion auf den ganzen Ostblock auswirken würden, auch auf die DDR. Mariele zog die Augenbrauen in die Höhe und sagte, da würde sich auch in hundert Jahren nichts rühren. »Sobald die auch nur ein wenig Luft ins Haus lassen, fangen die sich eine Erkältung ein, die sie nicht überleben. Also werden sie erst gar nicht das Fenster öffnen.«
    »Was sagt der Experte dazu?« fragte Beck und meinte mich.
    »Was? Wer? Ich?«
    »Na immerhin studierst du Geschichte und Politik.«
    »Ich bin vorbelastet. Mich wollten sie mal beim Pinkeln abknallen.« Ich erzählte die Geschichte. Alle lachten. Der Lirac kam. Wir gössen uns die Gläser voll und stießen an. Wir plauderten ein wenig über dies und das. Die Bruscetta kamen. Die gehackten Kirschtomaten lagen auf frischem italienischen Landbrot. Wir tranken Wein, und unsere Gesichter wurden rot. Beck biß in ein Brot, und etwas Tomate blieb an seinem Kinn hängen. Er sagte, der Sozialismus habe seine Chance gehabt und er habe versagt. Alle nickten und schoben sich Tomatenstückchen in den Mund.
    Dann kam der Hauptgang.
    »Stubenküken«, sagte ich. »Hört sich ja ekelhaft an.« Gloria verdrehte die Augen.
    »Ganz und gar nicht«, sagte Beck. »Obwohl ich gestehen muß, daß die Zubereitung nicht ganz ohne ist.«
    »Wie werden die denn gemacht?« wollte Gloria wissen, schnitt ein Stück Filet ab und schob es sich in den Mund.
    Mariele antwortete für Beck. »Nun ja«, sagte sie. »Man schneidet das Küken entlang des Rückgrats auf und trennt es ab. Außerdem entfernt man noch die Flügelspitzen. Dann löst man den Gabelknochen heraus und legt das Tier mit der Brust nach oben und drückt dann das Brustbein durch, bis es flach liegen bleibt. Naja und dann spießt man sie auf, am besten auf zwei Holzspieße. Dann bestreicht man die Tiere mit zerlassener Butter und grillt sie. Etwa zehn

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